Buchkritik zur Neuerscheinung "Bergbau im Glottertal"

Anmerkung zur vorliegenden Buchkritik

Als ich eines lauschigen Frühsommertages im Schwarzwald unterwegs war, um meine üblichen Altbergbauforschungen zu betreiben, nahm ich die Gelegenheit wahr, in einer lauschigen Stollenpinge ein wenig Proviant zu verzehren. Zu meiner großen Überraschung war diese Stollenpinge bereits von einem angenehmen, doch wie ich leicht verdreckten Herrn besetzt, mit dem ich meinen Proviant teilte und ins Gespräch kam. Im Laufe dieses Gesprächs zog der Herr ein Buch aus dem Rucksack, hielt es mir unter die Nase und begann, auf das Erquicklichste darüber zu schimpfen. Da er meine Seite bereits kannte, fragte er mich, ob ich den Mumm hätte, eine Kritik, die er zu schreiben gedenke, auf ihr zu veröffentlichen. Ich antwortete ihm, daß ich weder Tod noch Teufel fürchte, nur den Zahnarzt, und eine Kritik von ihm daher veröffentlichen würde.

Er hielt Wort; ich halte es auch. Die hier geäußerte Meinung muß nicht unbedingt mit meiner Meinung übereinstimmen. Der hier abgedruckte Text gehört ausschließlich Herrn Bill Berger, dem ich hiermit danke, und nicht mir. Kommentare bitte ins Gästebuch.

Das Buch „Bergbau im Glottertal“

Ein neues Buch ist 2012 auf den Markt gekommen. Es heißt „Bergbau im Glottertal“, Beiträge zur 900-Jahr-Feier der Gemeinde Glottertal, herausgegeben vom Arbeitskreis Glottertäler Ortsgeschichte, Autoren: K. Schneider, A. Haasis-Berner, D. Geuenich, B. Hoch, K. Schneider, H. Strecker, W. Werner, ISBN 978-3-00-037881-2.

Das Buch sieht gut aus, ist fast bergblau, hat ein handliches Format, teures Papier, ist sehr aufwendig gedruckt, mit üppigen Fotos und Farbtafeln auf 216 Seiten, und es möchte die „herausragende Bedeutung des Montanwesens im Glottertal“ nach sage und schreibe 50 Jahren Bergbauforschung vermitteln. Ein hoher Anspruch.

Schon in den Vorbemerkungen mag möglicherweise etwas irritieren, dass die Auffassung, der Urgraben sei „immer im Zusammenhang mit dem Suggental“ gesehen worden, „nicht stimmen kann“, aber okay, hier fehlt vielleicht nur ein kleines „auch“, und Belege dafür werden schließlich versprochen, ebenso „unbekannte Informationen„ und „unbekannte historische Schriftquellen“, die das Bild des Bergbaus präzisieren sollen. Wir sehen das also gern nach und sind gespannt, haben aber gleich wieder große Mühe, denn wir werden in der Abteilung „Besiedlung und Bergbau im Glottertal“ mit Folgendem konfrontiert:

„Es ist sehr wahrscheinlich“, „scheint“, „kennen wir derzeit noch nicht“ „da entsprechende Hinweise fehlen“, „derzeit nicht sicher zu belegen“, „deuten hin“, „Beleg steht bislang noch aus“, „deutet zumindest an“, „bedarf es eindeutiger Hinweise“, „bislang allenfalls in Ansätzen erkennbar“, „glaubte man noch sicher zu wissen“, „zumindest punktuell“, „warum sollen nicht ebenfalls“, „müssen eine eindeutige Stellungnahme offen lassen“, „zumindest hinzuweisen ist“, „wird mit Sicherheit nicht“, „ist zu rechnen“, „Vorstellung ist sicherlich nicht zu kühn“, „dürften“, „scheint“, „wahrscheinlich“, „sicherlich“, „ist nicht völlig von der Hand zu weisen“, „zweifelsohne“, „wundert es nicht“, „sicherlich“, „vermutlich“, „in viele Fällen“, „zu erkennen ist“, „ist es sehr wahrscheinlich“, „sicherlich“, „wahrscheinlich“, „wahrscheinlich“, „sicherlich kein Zufall“, „sicherlich“, „könnte gewesen sein“ …

Dabei ist anzumerken, dass Ausdrücke wie „sicherlich“ oder „zweifelsohne“ in der Bedeutung von „vielleicht“ zu verstehen sind. Diese Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, ist aber auf nur drei kleinen Seiten, nämlich 13 bis 15, zu finden. Leider setzt sich dies fort und wirkt, gelinde gesagt, ermüdend. (Man könnte auch sagen, es geht im selben Stil weiter und einem voll auf den Keks.) Ganz besonders entzückend fanden wir in diesem Zusammenhang auch die Anmerkung „Es könnte natürlich auch umgekehrt gewesen sein“ (Seite 22).

Dass der in der Verleihungsurkunde erwähnte „Herzogenberg“ ohne Nachweis und willkürlich mit dem Eichberg identifiziert wird, ist dabei nur eines von vielen Beispielen (S. 25). Ebenso fehlen konkrete Belege für die behauptete „Existenz eines extrem ertragreichen Montanwesens“ (S. 31). Dass im Suggental der Rest einer mittelalterlichen Bergleutekirche zu sehen ist, angeblich Mitte des 13. Jh errichtet, wird nicht belegt, schon garnicht durch eine abgebildete Zeichnung. Die stammt nämlich, was man verschweigt, von 1444 (S. 27,. S. 31, S. 79) Einen mittelalterlichen Conrad mit einem anderen Conrad gleichzusetzen, ist ein Produkt der Fantasie; der Conrade gab es gar viele (S. 50)..Die Behauptung, ein Stein mit einem erhabenen Kreis und drei Striemen stamme aus dem 18. Jh. und sei ein Markscheiderstein, hat allenfalls Märpotenzial. „Dabei wird es sich um einen Markscheiderstein handeln“, heißt es im Bildkommentar (S. 33, S. 79). Ebenso unbewiesen bleibt die Behauptung, „bei dem mit dem Bau des Urgrabens erkennbaren Gewerke handelt es sich um das erste Gewerke des Schwarzwaldes und um eines der ältesten in Europa“, die man uns hier als eine „in wissenschaftshistorischer Hinsicht kleine Sensation“ nahezubringen sucht (S. 37).

Mit fortschreitender Lektüre stellt sich mehr und mehr die Frage, ob man es hier – vielleicht/möglicherweise/eventuell – mit einer zu einem Elefanten aufgeblasenen Mücke zu tun hat. Wenig hilfreich, ja kontraproduktiv wirkt es dann zudem, dass, nach möglichen Nachweisen von möglichen 14 Schmelzhütten, belegt durch einzeln per Glotter verschwemmter Schlackestücke, das folgende erheiternde Fazit fettgedruckt erscheint - damit man es auch glaubt: „Somit sind allein im Glottertal derzeit mehr Verhüttungsplätze des 13. Jhs. bekannt, als im ganzen Mittleren und Südlichen Schwarzwald zusammen!“ (S. 42). Zusammen mit dem Fettdruck könnte man die Bezeichnung jedes einzelnen Schwemmfundes als Schmelzplatz als eindeutige Überschreitung der Peinlichkeitsgrenze werten.

Noch ein Beispiel einer in ihrer Klarheit unübertroffenen Aussage:

„So bleibt als Fazit, dass hier (…) zwar eine größere Siedlung bestand, die möglicherweise sogar von einigen Hundert Personen bewohnt wurde, die Existenz einer Kirche ist derzeit leider ebenso wenig zu beweisen, wie deren Lage. Ob diese prosperierende Siedlung auf dem Weg dazu war, eine Stadt zu werden, wissen wir nicht“. (S. 58) Hier wird Nichtwissen immerhin eingeräumt, im Gegensatz zu den Abschnitten über die Zerstörung der Suggentäler und Glottertäler Bergwerke, wo unbestätigte Annahmen oder etwa eine 300 Jahre jüngere Quelle als Nachweise gelten sollen. (S. 60 f.)

Selbstverständlich sollte bei der Darstellung lokaler Geschichte auch die des näheren oder weiteren Umfeldes, mit der sie in Zusammenhang steht, berücksichtigt oder erläutert werden. Hier aber wird in einem Ausmaß alles Mögliche von Nah und Fern zusammengefegt, das auf wenig eigentliche Substanz schließen lässt. Bemüht werden beispielweise gar Jack London und Kalifornien (S. 55). Um das eigentliche Glottertal geht es in gefühlten zehn Prozent des Textes. Wenn's hoch kommt.

Um seine Vermutungen zu unterfüttern, pflegt der Autor mit Vorliebe sich selbst zu zitieren oder als Quelle anzugeben, oder aber er gibt Quellen an, die damit schon ebenso verfuhren (z. B. Rambach).

In der Zusammenfassung dann sind all diese Hypothesen, Fantasien und Eventualitäten, die man nicht nachzuweisen oder zu verifizieren in der Lage war, unversehens und wundersamerweise zu Tatsachen mutiert.

So wird in bekannter Manier versucht, historische Fakten zu schaffen.

Ist das seriös? Nein. Ist das wissenschaftlich? Nein, das ist es nicht.

Hallo, Herr Autor! Vor Ihrer Hacke ist es duster. Und zwar zappenduster!

Dann die zweite Abteilung des Buches: Geologie und Lagerstätten im Glottertal. Der Autor gibt korrekt Quellen und Untersuchungen an. Obwohl dies eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte, hier großes Lob für W. Werner. Andererseits ist nicht viel Neues zu erfahren, und auch hier gilt die alte hessische Weisheit: Getretener Quark wird breit, nicht stark. Für interessierte Leser, die der Materie jedoch noch nicht so kundig sind, kann sie sicherlich Grundlage sein, weiter und umfassender zu recherchieren, auch und vorzugsweise in älteren Veröffentlichungen.

Was haben wir also erfahren?

Erstens: Im Glottertal gab es Bergbau.

Zweitens: Es ist nicht sicher zu belegen und derzeit fehlen auch Hinweise, aber vielleicht ist die Vorstellung nicht zu kühn und nicht völlig von der Hand zu weisen, dass es vielleicht möglicherweise sein könnte, dass es sicherlich nicht auszuschließen ist, dass mit an Wahrscheinlichkeit grenzender Sicherheit, die in den nächsten Jahren möglicherweise eventuell erforscht werden wird, vielleicht irgendwann im Glottertal, vermutlich aber auch anderswo, sicherlich im Mittelalter oder in den Jahrhunderten davor oder vielleicht auch danach sehr wahrscheinlich andeutungsweise etwas mehr Bergbau oder auch etwas anderes betrieben worden zu sein scheint. Oder so.

Warum also dieses Buch?

Wie schon gesagt: Es sieht gut aus.

Bill Berger, 2012.