Der Rauhbergtunnel bei Hauenstein (oder: bei Spirkelbach)

Der Rauhbergtunnel ist ein etwas spezieller (mehr zum 'speziell' unten) Tunnel auf dem Rauhberg, gelegen zwischen Hauenstein und Spirkelbach in der Pfalz, genauer gesagt: der Hinterpfalz. Die Gegend ist sehr schön (was sollte ich, Hauenstein verbunden, auch anderes sagen), und bietet jede Menge schnuckliger Felsen, Burgen und Wälder.

Man könnte auch ganz einfach sagen: Die Gegend ist hervorragend zum Wandern geeignet. Und damit wären wir auch gleich beim Thema, denn das fand mein Großvater früher auch, weshalb ich als Kind in den Genuß mehr oder minder freiwilliger Wanderungen durch die Gegend kam. Und eine meiner liebsten Wanderungen damals ging zum Rauhbergtunnel, denn wenig fand ich schöner als anständige Gruselgeschichten bei flackernder Kerze an einem Ort, an dem sich ein Kind durchaus fürchten kann. So gesehen kann es gut sein, daß meine Vorliebe für Unterirdisches dort ihren Anfang nahm.

Mir fiel dann erst viel später auf, daß ich einerseits seit vielen Jahren nicht mehr dort war und andererseits über diesen Tunnel im Prinzip überhaupt nichts weiß, da ich als Kind wohl mehr mit Fürchten als mit genauerer Beobachtung beschäftigt war. Da die Pfalz andererseits auch nicht allzureich an Bergwerken oder sonstigem Unterirdischen ist, lag also nahe, den Tunnel mal wieder aufzufinden und vielleicht auch ein bißchen zu dokumentieren.

Die Portale des Tunnels liegen sehr nahe beieinander, vielleicht nur 40 Meter voneinander getrennt, ungefähr dort, wo der gewinkelte Höhenzug des Rauhberges seine L-Biegung macht und nur sehr wenig unterhalb. Trotz dieser recht kleinen Entfernung streckt sich durch zwei Knicks bedingt die effektive Tunnellänge auf vielleicht 100 Meter. Der Querschnitt des Tunnels erinnert an den Portalen inklusive Ausmauerung an einen Eisenbahntunnel, ist jedoch wesentlich enger und weist auch keine Schräge am Fuß der Ausmauerung auf.

Die Ausmauerung sowie die Portale machen auf gewisse Art einen amüsanten Eindruck; es scheint, als ob an Baustoffen einfach verwendet wurde, was gerade so verfügbar war: Einerseits relativ hochwertige verklinkerte Ziegel mit anderen gleicher Farbe, andererseits (speziell im Tunnelinneren) andere Bausteine geringerer Qualität (was auf den Fotos recht gut zu sehen sein dürfte). Da die Trennlinie zwischen gelben und roten Ziegeln relativ zum Fortgang des Ausbaus (die Gewölbekragung und der -abschluß kommen natürlich zuletzt) paßt, vermute ich weiterhin, daß die bemerkenswert unterschiedliche Gewölbefärbung daher bedingt ist, daß später halt gelbe zur Verfügung standen. Da sowohl für die unteren Ausmauerung als auch für die Portalwand scheinbar die gleichen rot gemischten Ziegel verwendet wurden, nehme ich also an, daß der Abschluß und die eingesetzten Türen aus gleicher Zeit stammen dürfte.

Die Portaltür in spirkelbacher Richtung ist wie das andere stark korrodiert und am Boden durch Sedimente blockiert, das Portal in hauensteiner Richtung steht dagegen offen und kann ohne Schwierigkeit betreten werden. An beiden Portalen herrscht ein lebhafter Zug mit am spirkelbacher Portal ausgängig recht warmer Luft, wie an vielen anderen solchen Orten auch nivelliert ein Bergesinneres recht nett die Temperaturen - im Winter sehr angenehm. Das paßt auch gut zu meinen zwanzig Jahre alten Erinnerungen an abenteuerliche Fläckerle (pfälzisch: Feuerchen) im Tunnel, aber nicht an Rauch; und so einige Feuerstellen im Tunnel zeigen an, daß das vielleicht auch heutzutage noch ein beliebtes Abenteuer sein mag. Kohleschriften an den Wänden mit angeschriebenen rezenten Daten lassen mich das zumindest für die lokale Gruftiefraktion annehmen (und da ich in Freiburg auch einige kenne, die die hauensteiner Grufties bestimmt grüßen würden, tu' ich das einfach mal stellvertretend. Musiktips für's nächste Mal: 'Das Ich - Vulkan').

Wenn man also genau hinschaut, sieht man so einiges, was die Menschen hinterlassen haben: Das Spektrum reicht von einigen offenkundig nicht sehr alten Teelichten bis zu fast zerfallenen alten Kienspänen in Wandlöchern, die schon an altes Grubenholz erinnern. Kerzenwachs an den Wänden und abgebrannte Stümpfe runden das Bild ab; leider auch so einiges an Müll aus verschiedenen Epochen (wie war das? Alter Müll ist Geschichte?) garniert mit einigen Batterien. Ich wäre wahrhaftig nicht nur hier froh, wenn die Leute ihren Müll auch wieder mitnehmen würden!

Der Tunnel ist nur sehr teilweise ausgebaut, einerseits mit der genannten Ausmauerung, die auf beiden Seiten rasch in eine nur grob bearbeitete Kaverne ohne weitere Verbauung übergeht. Teile des Tunnels, insbesondere dort, wo er ausgemauert ist, verfügen über eine gegossene Betonplatte, die auf spirkelbacher Seite mit einem Abflußgraben versehen ist. Der Ausbau in Richtung des hauensteiner Portals ist kürzer und ohne Abflußgraben ausgeführt, da sich der Tunnelboden relativ kurz hinter dem hauensteiner Portal zum Anfang der Kaverne um ca. zwei Meter absenkt. Diese Absenkung ist jedoch zerklüftet (und von vielen Schuhen und Hosenböden abgewetzt), in keiner Weise senkrecht und gut steigbar.

Als kleine Seitennotiz mag interessant sein, daß sich zu späterer Zeit ein findiger Bauherr, der wohl ein paar Ziegel benötigte, an einer Stelle (Photo hier, auf den Fuß der Mauerung achten) mit günstigen Ziegeln versorgt hat. Selbst wenn die Stelle ziemlich wahrscheinlich keine statisch tragende Funktion hat, kann ich nur sagen: Mutig, mutig.

Ich muß wohl nicht extra ausführen, warum man von den Verbau- und Verstrebungen in alten Bergwerken, Tunneln usw. hübsch die Finger lassen sollte, wenn man nicht unbedingt seinen Hals riskieren will.

Der Tunnels ist ziemlich trocken, was für mich, der eher Unterirdisches im Schwarzwald und am Schönberg bei Freiburg gewohnt ist, mal eine sehr willkommene Abwechslung darstellt - bin ich es doch sonst gewohnt, bis zu den Knöcheln im Wasser zu stehen, wenn ich Glück habe (wenn ich Pech habe, steh' ich bis zu den Knien im Matsch). Die Ursachen dafür sind leicht zu finden: Der dortige Sandstein ist eher porös und bietet daher wenig Chancen auf Kluftwasser beziehungsweise wasserführende Schichten - man bedenke nur die im Vergleich zu etwa dem Schwarzwald relative Oberflächengewässerarmut der Hinterpfalz und die sehr tiefen Brunnenschächte pfälzer Burgen.

Das einzige auftretende Wasser in Form weniger (im Vergleich zum 'Dauerregen' schwarzwälder Stollen) von der Decke fallender Tropfen trat lediglich an einer Stelle ungefähr in der Mitte der Hauptkaverne des Tunnels auf. Dabei bin ich mir ziemlich sicher, daß es sich hierbei um Oberflächenwasser, dh. tauendem Schnee und Regen, handelt. Diese Stelle ist durch eine deutlich sichtbare Kluft bzw. Verwerfung gekennzeichnet, in der von oben und teilweise seitlich deutlich sichtbar Pflanzenwurzeln in den Tunnel einwachsen (Photos ab hier). Mir scheint, daß diese Verwerfung dem Tunnel in ein paar hundert Jahren den Garaus machen wird.

Die Überdeckung des Tunnels ist allgemein sehr gering und bewegt sich allenfalls im Bereiche weniger Meter, was zwar einerseits für wenig Gebirgsdruck sorgt, andererseits aber der weiter unten vermuteten Nutzung als Munitionslager doch eher entgegenspräche - jede nicht gerade sehr kleine Bombe könnte die geringe Überdeckung auch aufgrund des nicht gerade besonders stabilen Sandsteines relativ mühelos durchschlagen. Für diese Nutzung spräche die auch bei anderen Depots zur Verminderung möglicher Druckwellen wegen abgewinkelte Bauweise, aber was nützte dies, wenn das 'Dach' derartig leicht einbräche?

Daher stellt sich natürlich die Frage nach Sinn, Zweck und Herkunft des Tunnels. Wie mir erzählt wurde, stand der Tunnel sehr wahrscheinlich in Verbindung mit einem (oder mehreren) auf dem Rauhberggipfel stationierten Flakgeschütz. Leider habe ich so gut wie alles im Umkreis der Portale nach alten Wegen abgesucht, doch möglicherweise die Sattelverbindung zum Gipfel nicht gut genug. Ich kann definitv sagen, daß in den anderen Richtungen kein Weg bestand, und ein Verbindungsweg würde zum Gipfel auch daher am meisten Sinn machen - wenn obiges stimmt.

Daher nehme ich als Arbeitshypothese einfach mal eine Verwendung als Munitionsbunker an, damit würde auch übereinstimmen, daß der spirkelbacher Eingang dem Gipfel näher liegt, und die Schwelle unterhalb des hauensteiner Portals daher weniger stören dürfte. Die für diesen Zweck hauptsächlich der sehr geringen Überdeckung wegen nicht besonders intelligent konzipierte Anlage fände durchaus Entsprechungen in anderen Anlagen des ehemaligen Westwalls bzw. der 'Luftverteidigungszone West', und wie ich hörte, soll es im weiteren Umkreis noch weitere solcher Anlagen geben. Allerdings sind mir persönlich derzeit keine weiteren bekannt.

Ich wäre sehr dankbar für weitere Hinweise; im Netz konnte ich zum Rauhbergtunnel im Prinzip nur sehr wenig finden. Da ich mich sehr für das zufälligerweise ebenfalls aus der Nazizeit stammende Eisenerzbergwerk Freiburg/St.Georgen interessiere, stellen sich natürlich verwandte Fragen: Wann wurde der Rauhbergtunnel erbaut - von dem Krieg, während des Krieges und wann genau? Von welcher Firma wurde er gebaut? Welche Arbeiter wurden beschäftigt: Lokale Arbeitskräfte, 'angereiste' Arbeiter, Zwangsarbeiter oder Kriegsgefangene? Wurde er jemals für seinen Zweck genutzt? War jemand beim Bau dabei, oder hatte Bekannte bei Bau und/oder Betrieb? Wenn er Teil einer Flakstellung war, welche Einheit, und von wann bis wann?

(Für Hinweise bin ich per Elektropost unter chr_rossi@web.de oder auch einfach über's Gästebuch erreichbar.

 

Datum der letzten Änderung: 19.12.2005

Wird eventuell fortgesetzt, falls Neues zum Tunnel und dessen Geschichte auftauchen sollte.

 

 

Und ein kleiner Nachtrag...

...wie ich hörte (was allerdings sehr gut nur ein Gerücht sein mag), sei der Tunnel wegen eines Unfalls spielender Kinder von einigen Jahren verschlossen worden. Wenn das zutrifft, würde ich den Beteiligten in diesem Falle empfehlen, die überall herumstehenden, hervorragend zum Abstürzen geeigneten hochgefährlichen Felsen wegzusprengen und die Queich mit einer Betonplatte zu überdecken.

Eine schöne Sicht mit Felsen am Südhang des Rauhbergs
Das in spirkelbacher Richtung gelegene Portal
Blick vom hauensteiner Portal ins Tunnelinnere; erster Knick
Ausbau zum hauensteiner Portal mit Ausmauerung und gegossener Bodenplatte
Ausbau zum spirkelbacher Portal mit Ausmauerung, gegossener Bodenplatte und Abflußgraben
Detail des Abflußgrabens der gegossenen Bodenplatte
Detail des Ausmauerungsendes
Übergang zur Kaverne
Übergang zur Kaverne Richtung hauensteiner Portal mit Bodenplatte mit Füllbruch
Schwelle mit anschließender, abgesenkter Kaverne vom hauensteiner Portal aus
Gering bearbeitete Kaverne des Rauhbergtunnels
Kaverne des Rauhbergtunnels mit von oben her eindringenden Wurzeln
Verwerfung im Rauhbergtunnels mit eindringenden Wurzeln
Verwerfung im Rauhbergtunnel
Pilzbesiedeltes Insekt in der Kaverne