„Nicht gerade im Goldrausch“ - Kleine Geschichte des Bergbaus am Schönberg

Christina Rössler, IG Bergbau am Schönberg

 

An die kurze, aber heftige Geschichte des Bergbaus im Schönberg erinnern heute am sichtbarsten die kleinen Bergleutesiedlungen und deren Straßennamen: In St. Georgen sind das beispielsweise der Zechen- und Bergmannsweg, in Ebringen der Grubenweg, in Bollschweil die Straße Am Bergwerk.

Eisenbahnstollen am Tag der Offenen Tür. Foto: IG Bergbau am Schönberg

Äußerlich ist diesem lieblichen Berg, dem Liebling der Sonntagsausflügler, kaum anzusehen, dass er im Inneren durchlocht ist wie ein Mäusebau. Man schätzt eine Stollenlänge von etwa 40 km. Circa 23 Mundlöcher reihten sich rund um den Berg, und zwei Schächte, der Schießstandschacht und der Mösleschacht, dienten zur Bewetterung und als Ein- und Ausgänge für Mensch und Material. In den nur knapp fünf Jahren des Bergwerkbetriebs, nämlich von 1937 bis 1942, wurden etwa eineinhalb Millionen Tonnen erzhaltiges Gestein gefördert. Das scheint auf den ersten Blick viel, aber im Vergleich mit den großen Bergwerken beispielsweise des Ruhrgebiets oder des Saarlandes bleibt der Bergbau im Schönberg natürlich marginal.

Eine Mutung, d.h. ein Gesuch auf Verleihung des Bergwerkseigentums, von 1920 hatte noch den Eisengehalt des Gesteins für zu niedrig erachtet, um es „im Sinne des Berggesetzes als Eisenerz zu bezeichnen“, nämlich nur knapp über 20%. Zum Vergleich: Im weltbekannten Kiruna in Schweden wurden Erze mit einem Eisengehalt von fast 70% abgebaut, in Brasilien Erze mit etwas über 60%.

Große Eile und arme Erze – der Vierjahresplan am Schönberg

Vierjahresplan - Deckblatt (Quelle: <link de.wikipedia.org/wiki/Vierjahresplan>Wikipedia</link>)

Diese Einschätzung änderte sich 1937.

Rohstoffe waren knapp. Die nationalsozialistische Regierung hatte sich 1936 im sogenannten „Vierjahresplan“ zum Ziel gesetzt, Deutschland bei der Versorgung mit Rohstoffen vom Ausland unabhängig zu machen, damit binnen vier Jahren Wirtschaft und Heer „einsatzfähig“ und „kriegsfähig“ würden. Beauftragt und mit allen Vollmachten ausgestattet wurde Reichspropagandaminister Hermann Göring.

So wurde das Eisenerz des Schönbergs doch noch abbauwürdig. Dazu kam, dass die Erze des Schönbergs aufgrund ihres Kalkgehaltes als willkommener Zuschlag für die vergleichsweise sauren, also quarzreichen Eisenerze Salzgitters gebraucht werden konnten. Man könnte in diesem Zusammenhang auch von eisenhaltigem Kalkzuschlag sprechen (Bollschweiler Erz enthält ca. 40% Kalk).

Mit dem Abbau beauftragt wurden die Rohstoffbetriebe der Vereinigten Stahlwerke mit Sitz in Dortmund, die in Freiburg ihr Verwaltungsbüro in der Silberbachstraße 19 einrichteten. In den folgenden Jahren entwickelten sie eine heftige und schnelle, ja hastige Bautätigkeit. In Hunderten Probebohrungen wurde das Gelände geologisch erkundet, Stollen gesprengt und gegraben, Schächte abgeteuft, Transportmöglichkeiten geschaffen und Bergleute und anderes Personal angeworben. Es entstanden drei nicht miteinander in Verbindung stehende Abbaufelder: Das Nordfeld bei St. Georgen, das Südfeld bei Ebringen und die Grube Steinberg bei Bollschweil.

Im Eisenbahnstollen. Foto: IG Bergbau am Schönberg

Als erster Stollen wurde 1937 Stollen 1 in St. Georgen beim Schießstand eröffnet. Die Stollen 2 bis 5 öffneten sich auf östlicher Seite des Schönbergs oberhalb des Jesuitenschlosses. Stollen 1 diente als zentraler Sammelpunkt bis zum Bau des Eisenbahnstollens. Das hier geförderte Erz wurde über einen kleinen Verladebunker auf Lastwagen geladen und zum Güterbahnhof Freiburg – Süd transportiert.

Später wurde auf dem Gelände auch das Gefangenenlager zur Unterbringung der Zwangsarbeiter errichtet. Schon beim Bau des ersten Stollens hielten sich die Vereinigten Stahlwerke nicht mit Marginalien wie einer forstamtlichen Genehmigung auf; dass dies kein Versehen war, sondern durchaus System hatte, sollte sich noch zeigen.

Zechengelände St. Georgen, 1940. Foto: Deutsches Bergbauarchiv Bochum.

Ab 1938 sollte dann das große Zechengelände gegenüber des Bahnhofs St. Georgen zum Zentrum des Bergwerks werden: Durch den 800 Meter langen, 1939 erbauten Eisenbahnstollen wurde die gesamte Erzförderung des Nordfeldes per Eisenbahn mit Grubenwagen und dieselbetriebenen Grubenloks zu Tage gebracht. Südöstlich davon wurde neben dem Möslestollen der 125 Meter tiefe Mösleschacht abgeteuft. Seine Fördermaschine förderte in einem Korb einen einzigen Wagen oder 8 Personen. Er erreichte auf der ersten Sohle den Stollen 1, auf der zweiten den Eisenbahnstollen, dessen Grubenbahn auf das von Schienen überzogenen Gelände des Zechenplatzes fuhr. Das Erz wurde dann über eine Brech- und Siebanlage in einen 28 m hohen Erzbunker befördert, von da auf Waggons verladen und zur Verhüttung ins Ruhrgebiet gebracht. Andere Betriebsgebäude waren ebenfalls vonnöten; man baute eine Wohnbaracke, eine Kantine und Werkstätten. In einer Lampenstube hingen die Stirnlampen der Bergmänner, so konnte an den fehlenden Lampen erkannt werden, wer gerade untertage arbeitete. Man baute Magazine, Tankstellen, Garagen und Büros für die Verwaltung und planierte ein großes Gelände für Erzhalden. Zwei markante Betontürme prägten das Bild, Staub und Krach kann man sich unschwer vorstellen.

Betriebsgelände Ebringen. Foto: Deutsches Bergbauarchiv Bochum.

Bei Ebringen wurde ein kleineres Betriebsgelände beim Südfeld errichtet. In einer langen Häuserreihe, bestehend aus Betonfundamenten mit Holzaufbauten, war alles untergebracht, was gebraucht wurde: Lampenstube, Magazin, Schreinerei, Werkstatt, Lager, Waschkaue für die Bergmänner, separat Büro, Aufenthaltsraum und ein Trafohäuschen.

Die Lagerstätte wurde durch mehrere Stollen erschlossen. Gebündelt wurde der Abbau im sogenannten Bandstollen als zentraler Förderstrecke, durch den das Gestein auf einem langen Förderband ans Tageslicht gebracht und über eine Bandbrücke in das Erzsilo gekippt wurde. Von dort ging es anfangs per Lastwagen zur Bahn, bis im Oktober 1940 endlich die schon seit 1937 geplante, zwei Kilometer lange Seilbahn in Betrieb genommen werden konnte, die das Erz direkt zum Zechengelände nach St. Georgen schweben ließ. Dazu kam ein Tagebau etwas weiter südlich an der Fahrstraße zwischen Berghauser Kapelle und dem Unteren Schönberger Hof.

Der Steinberg bei Bollschweil, das dritte Abbaufeld, wurde durch zwei Stollen aufgeschlossen. Der Abtransport des Gesteins war nur mit Lastwagen möglich und blieb immer schwierig, und so wurde die Grube Steinberg schon 1939 hauptsächlich wegen kriegsbedingten Kraftstoffmangels wieder geschlossen.

Bergmann untertage. 1940. Foto: Deutsches Bergbauarchiv Bochum.

Die Dicke der Eisenerzschichten im Schönberg beträgt 6 bis 7 Meter. Sie sind stark gestört, das heißt, die Schichten sind gegeneinander verschoben und versetzt. Daher schien es wirtschaftlich nicht rentabel, die Abbaufelder miteinander zu verbinden, sondern man gewann die Erze in drei voneinander unabhängigen Feldern. Als Abbauverfahren wurde vorwiegend der sogenannte Kammerbau angewendet: Die Erzschichten wurden durch Sprengung und Abbauhammer in bis zu 60 Meter langen Kammern abgebaut. Dazwischen blieben Pfeiler stehen, um den Berg zu stützen.

Das Erz wurde per Hand in Loren, improvisierte Behälter oder seltener direkt auf Förderbänder geladen. Waren dann die einzelnen Kammern leergeräumt, wurden die Pfeiler des Abbaus entweder sich selbst überlassen oder im Kammerbruchbau weggesprengt, und nicht etwa wieder aufgefüllt. So sollte vermieden werden, dass sich im Berg Spannungen aufbauen und zu ungeplanten Einbrüchen und Bergschäden führen konnten.

Wie das Erzgestein aussah, das im Schönberg gefördert wurde, zeigt ein allerdings aus dem Schwesterbergwerk Ringsheim stammender Steinbrocken gleicher geologischer Formation im Bergbaumuseum Sulzburg.

Ärger allerorten – Die Stahlwerke und die Bevölkerung

Der Filmemacher und Schriftsteller Jürgen Lodemann, der seine ersten 27 Jahre in Essen, der größten Bergbaustadt Europas verbrachte, unter anderem mehrere „Ruhrromane“ schrieb und seit einigen Jahren am Fuße des Schönbergs lebt, vermutete: „Es wirkt alles so ein bisschen wie ein kurz vorübergehuschter Traum vom großen Glück, die Orte am Fuß des Schönbergs nicht gerade im Goldrausch, aber dann doch mit Hoffnungen, die sich fast ebenso rasch wieder davonmachten.“

Hier irrt der Autor.

Es gab nämlich nur Ärger, Ärger in jeder Beziehung, und es ist wohl nicht übertrieben zu behaupten, dass die Menschen im 1938 von Freiburg eingemeindeten St. Georgen, in Ebringen und Bollschweil ihr Bergwerk nicht leiden konnten.

Schon früh erhob die Stadt Freiburg Einwände gegen die geplanten Baumaßnahmen, meistenteils der Befürchtung wegen, dass das Landschaftsbild unmittelbar vor den Toren der Kur- und Fremdenstadt Freiburg in unverantwortlicher Weise verunstaltet würde. Es müsse unbedingt darüber gewacht werden, dass ihre reizvolle Umgebung in ganzem Umfang erhalten bleibt. Die Zuständigen der Stadt trafen mit Vertretern der Stahlwerke zu Ortsbesichtigungen zusammen, machten Gegenvorschläge, wiesen auf unerwünschte Folgen hin, brachten Einwände vor; man ging zu diesem Zeitpunkt wohl noch davon aus, dass verweigerte Baugenehmigungen noch irgendeinen Einfluss auf die Bauvorhaben der Vereinigten Stahlwerke haben könnten: Recht bliebe Recht, es gäbe schließlich Vorschriften.

Löcher und Halden am Mösleschacht, 2007, Foto: IG Bergbau am Schönberg

Dass diese nicht das Papier wert waren, auf dem sie standen, zeigte sich gleich zu Beginn der Bauarbeiten. Anfangs klang es noch relativ geduldig, wenn ein Ratsherr in schönstem Amtsdeutsch darauf hinwies, dass in St. Georgen die Zufahrtsstraßen übermäßig beansprucht würden und der Betrieb anscheinend die erforderliche Umsicht außer acht lasse.

Als sich die Klagen über die Bautätigkeiten jedoch häuften, schritt man zu einer Ortsbesichtigung, die das rüde Vorgehen der Stahlwerke bestätigte: Viele Bauarbeiten wurden ohne Baugenehmigung durchgeführt, Bäume entfernt oder bis zu den Kronen mit Grund zugeschüttet, ein ganzes Gewann zugeschüttet, Bohrtürme aufgestellt, nach dem Abbau die Plätze einfach eingeebnet und so der Boden unfruchtbar gemacht. Auch mit dem Wald wurde nicht pfleglich umgegangen, man beklagte Holzdiebstahl und verdächtigte die Bergleute. Beschwerden der Stadtverwaltung blieben erfolglos, die Bergwerksverwaltung antwortete nur selten auf schriftliche Anfragen.

Beim Mösleschacht: Blick auf den Möslestollen. Foto: IG Bergbau am Schönberg

Daher beschäftigte sich im Mai 1938 ein städtischer Bauausschuss mit den üblen dortigen Vorkommnissen. Einerseits fand man die rücksichtslosen Übergriffe der Stahlwerke empörend und inakzeptabel, andererseits war man sich wohl darüber im klaren, dass man dem Argument, dass der Vierjahresplan Eile gebiete, nicht allzu viel entgegenzusetzen hatte. Man erwog eine Bausperre, fürchtete aber, wohl in dem Bewusstsein, dabei den kürzeren zu ziehen, eine offene Konfrontation.

So setzte man auf Diplomatie und erreichte eine Aussprache. Darin gab der Direktor der Bergwerksgesellschaft immerhin zu, sich nicht immer streng an die gesetzlichen Vorschriften gehalten zu haben, versicherte, auf gute Zusammenarbeit besonderen Wert zu legen und gelobte Besserung und Entschädigungszahlungen, über deren Höhe man sich jedoch nicht einigen konnte. Im Gegenzug stellte die Stadt eine Ermäßigung ihrer Forderungen in Aussicht. NS-Oberbürgermeister Kerber versicherte, die Stadt sei gerne bereit, die Interessen der Gesellschaft zu fördern.

Natürlich währte die Ruhe nicht lange.

Joseph Schlippe und das Bergwerk

In den Auseinandersetzungen der folgenden Zeit um Planung und Bau der Bergwerksanlagen spielte Josef Schlippe eine herausragende Rolle. Seit 1925 Oberbaudirektor der Stadt Freiburg, zeigte er sich auch hier als unermüdlicher und verlässlicher Streiter für Landschaftsschutz und gegen Verschandelung und Flachdächer. 1946 sollte er Leiter des Wiederaufbaubüros und maßgeblich beteiligt am Wiederaufbau Freiburgs werden.

Industriebauten St. Georgen. Foto: Deutsches Bergbauarchiv Bochum.

1938 sollte beim Bahnhof St. Georgen eine ganz große Bauanlage, ein Industriegebiet entstehen: Eine Erzbrech-, Sieb- und Verladeanlage, Mittelpunkt des gesamten Abbaus außer Bollschweil, wo das gesamte geförderte Material ankommen, gebrochen und per Bahn zur Verarbeitung im Ruhrgebiet weiterbefördert werden sollte. Eine Seilbahn sollte das Ebringer Erz zu einem Erzsilo bringen, der Eisenbahnstollen das Erz aus dem Nordfeld. Ausgedehnte Gleisanlagen waren nötig, Maschinenanlagen zum Zerkleinern des Gesteins, Erzlagerplätze, Werkstattgebäude, der Mösleschacht und vieles mehr. Als herausragende und prägnanteste Gebäude jedoch wurden zwei riesige Erzbunker aus Beton errichtet.

Die Pläne beurteilt Schlippe, gelinde gesagt, skeptisch: Von Dortmund aus, - soll heissen: Die haben dort keine Ahnung, wie es in Freiburg aussieht - sei eine Anlage mit ungewöhnlichen Abmessungen und in der Freiburger Landschaft noch gänzlich unbekannten Bauwerken rein industriellen Charakters geplant worden, die inmitten des schönen Landschaftsbildes stehen und die Blicke aller auf sich lenken werde. Es liege ihm fern, Schwierigkeiten bereiten zu wollen, dennoch ist er der Ansicht, die Anlage könne ohne Mehrkosten oder technische Zugeständnisse wesentlich besser gestaltet werden, nämlich so, dass sie bei klarer Ausprägung des industriellen Charakters doch in Gesamtkonzeption und Einzelgestaltung architektonisch befriedigt und somit dem ungewöhnlich schönen Landschaftsbild gerecht wird.

Seilbahnfundament. Foto: IG Bergbau am Schönberg

Er hält es gar für baurechtlich möglich, die Bauten zu verbieten, da sie das Ortsbild verunstalten und eine hervorragende landschaftliche Schönheit erheblich stören. Dass Industriegebiete auch Ziele feindlicher Angriffe sein könnten, wurde weder zu dieser Zeit noch während des Krieges offen ausgesprochen; nur versteckt sollen sie liegen. Selbstverständlich will Schlippe das Baugesuch nicht ablehnen, er setzt vielmehr darauf, auf den Bauherrn einzuwirken, dass er den Gebäuden eine bessere Gestaltung zuteil werden lässt, indem man beispielsweise darauf hinweisen könnte, dass städtische und staatliche Behörden bis jetzt alle Hindernisse aus dem Weg geräumt hätten und deshalb, sozusagen als Gegenleistung, erwartet werden darf, dass die bauliche Gestaltung befriedigender gelöst wird, zumal man in Deutschland seit bald drei Jahrzehnten erkannt habe, welche künstlerischen Gestaltungsmöglichkeiten gerade der Industriebau bietet. Schlippe macht Alternativvorschläge zur Position der Gebäude, insbesondere besteht er auf bessere Abstimmung der Größenverhältnisse und Fensterformate zueinander und bittet, die Verbesserungen durchzusetzen.

In diesem Fall konnten die Stahlwerke nicht wie in den Jahren zuvor vollendete Tatsachen schaffen und in der Hoffnung, gar der Sicherheit auf Duldung oder nachträgliche Genehmigung bauen. Die Stadt verweigert die Baugenehmigung und besteht auf Umgestaltung. Schlippe wünscht unter anderem eine Änderung der Dachneigung, andere Fensterverteilung und kleinere Fenster. Auch Fragen des Grundstückseigentums sollten diesmal vor Baubeginn geklärt werden.

Die Herren der Bergwerksleitung geloben zwar wiederum Besserung und zeigen sich zu jedem Entgegenkommen den formalen Wünschen der Stadt gegenüber bereit und versichern zudem: Wir werden nach wie vor bemüht bleiben, auch in Zukunft alle erforderlichen Grundstücksregelungen vor Baubeginn durchzuführen. Dazu entschlossen scheinen sie allerdings nicht zu sein, denn gleichzeitig erwarten sie entsprechendes Verständnis, dass sich [...] die restlose aktenmäßige Durchführung der Verhandlungen nicht immer vor Baubeginn erreichen läßt.

Zechengelände St. Georgen, 1980. Foto: Günter Klugermann

Das lässt nichts Gutes ahnen, und so teilt Schlippe auch zwei Monate später mit, er habe von den Stahlwerken ein merkwürdiges Schreiben erhalten, das anscheinend auf eine Nichtbeachtung unserer Gegenvorschläge schonend vorbereiten soll. Recht hat er: Die Stahlwerke lehnen mit Hinweis auf den Vierjahresplan alle Vorschläge ab und meinen, in Bezug auf Schönheit, Landschaftsschutz und Unauffälligkeit genug getan zu haben; zudem hätten ihre Bauten anderswo stets Anklang gefunden. Sie drohen mit Weitermeldung an die zuständigen Stellen. Besonders die Behauptung, die Bauten würden unauffällig, kann Josef Schlippe nicht hinnehmen und muss doch feststellen, dass der Neubau nicht versteckt ausserhalb des Stadtkerns, sondern weithin sichtbar und in sehr bevorzugter Landschaft stehen wird. Er lässt nicht locker, weist Vorwürfe, die Bauten verteuern zu wollen, weit von sich, begründet, erklärt und besteht auf Planänderungen. Man will den Einschüchterungsversuchen der Baufirma keinesfalls nachgeben.

Einige Korrespondenz und Besprechungen später kann Schlippe Erfolg vermelden: Seine Vorschläge wurden in allen wesentlichen Teilen angenommen, unter anderem die Treppenhausfenster im Rhythmus der übrigen durchlaufend, statt eines großen Fensters drei kleine mit Kreuzsprossen, als Dachdeckung keine Pappe, sondern Biberschwänze oder Ludowici. Auf neuerliche Unwilligkeiten der Bauherren reagiert Schlippe sichtlich genervt, weicht aber nicht zurück.

Letztlich setzte sich Schlippe nach langem Gerangel mit seinen Einwänden durch. Im Juli 1939 kann er befriedigt und mit nur einer kleinen Einschränkung mitteilen: Die Ausführung geschieht auf Grund unserer baukünstlerischen Beratung und wird im großen Ganzen ein erfreuliches Bild ergeben.

Es ist nicht weiter verwunderlich, dass wenig später die Auseinandersetzung um Farbgebung und Putz, Tarnanstriche, Lagerschuppen und Wegeverlegungen wieder aufflammen. Diesmal werden sie jedoch weniger verbissen geführt: Die Zeiten hatten sich geändert. Wegen Mangel an Arbeitskräften ging nichts recht vorwärts, man hoffte auf baldige Zuteilung von Gefangenen und beklagte Baustoffmangel. Fraglich war, wie lange der Bergbau überhaupt noch fortgeführt werden sollte.

Den späteren Abriss der Industriebauten hätte Josef Schlippe vermutlich nicht bedauert. Leider erlebte er ihn nicht mehr, er starb 1970.

Lebensumstände der Bergmannsfamilien - Frau E. in Ebringen

Erzbunker Ebringen, Detail, 2007, Foto: IG Bergbau am Schönberg

In Ebringen wurde kaum um die Anlagen an sich gestritten. Das mag daran gelegen haben, dass sie dort ungleich kleiner und bis auf den Erzbunker längst nicht so auffällig ausfielen. Von dort hieß es nur etwas müde zum Bau der Stromleitung: Wie alle Freileitungen wird sie keine Verschönerung des Landschaftsbildes abgeben. Dafür gab es großen Ärger mit der Wasserversorgung, etwa als gleich zu Beginn die Stahlwerke ohne Genehmigung Betriebswasser pumpten, was zu Wassermangel im Dorf führte.

Man fürchtete zu Recht, dass die sowieso schon spärlich fließenden Gemeindequellen nachlassen, versiegen oder unbrauchbar werden könnten und drohte, in diesem Fall das Wasser für die Bewohner der Bergmannssiedlung abzudrehen. Die Betreiber zeigten sich davon wenig beeindruckt und bemerkten, dass man sie ja verklagen könne, bauten weiter und versetzten gar Grenzsteine, die erst nach 1953 wieder an Ort und Stelle gesetzt werden sollten. Auch hier wurden unter Berufung auf den Vierjahresplan oft ohne Genehmigung vollendete Tatsachen geschaffen. Unter anderem wurden Wald und Reben beschädigt und Heuernten vernichtet.

Man fürchtete zu Recht, dass die sowieso schon spärlich fließenden Gemeindequellen nachlassen, versiegen oder unbrauchbar werden könnten und drohte, in diesem Fall das Wasser für die Bewohner der Bergmannssiedlung abzudrehen. Die Betreiber zeigten sich davon wenig beeindruckt und bemerkten, dass man sie ja verklagen könne, bauten weiter und versetzten gar Grenzsteine, die erst nach 1953 wieder an Ort und Stelle gesetzt werden sollten. Auch hier wurden unter Berufung auf den Vierjahresplan oft ohne Genehmigung vollendete Tatsachen geschaffen. Unter anderem wurden Wald und Reben beschädigt und Heuernten vernichtet.

Im Bandstollen 1976. Foto: Günter Klugermann

Vor Eröffnung der großen Anlagen wurden sämtliche Materialien mit Lastwagen durch die Dorfstraßen transportiert. Sie verursachten Dreck, Staub, Krach, beschädigten Land und überfuhren Hühner. Das erboste die Menschen. Dazu kam, dass Häuser für die hauptsächlich aus dem Ruhrgebiet und dem Saarland angeheuerten Bergleute gebaut werden mussten. Das Gelände dafür gaben die Besitzer meist nicht ganz freiwillig und zu einem geringen Preis her. In St. Georgen und Ebringen wurden einstöckige Einzel- und meist Doppelhäuser errichtet, alle mit ähnlichem Grundriss auf einer Fläche von 47 Quadratmetern. Sie beherbergten pro Stockwerk Flur, Wohnküche und zwei Zimmer, für heutige Verhältnisse winzige Wohnungen. In jedem Häuschen lebten zwei Familien, in Doppelhäusern vier. Umgeben waren sie allesamt mit einem kleinen Garten, in dem die Bergleute oder eher ihre Frauen Gemüse anbauen, auch Obstbäume pflanzen und Hühner oder Hasen halten konnten.

Beispielhaft für viele mag hier Frau E., die nicht namentlich genannt werden möchte, zu Wort kommen.

Sie kam 1938 siebenundzwanzigjährig mit ihrem einunddreissig Jahre alten Mann, einem Bergmann, und drei kleinen Kindern aus dem Ruhrgebiet nach Ebringen. Die Familie bezog das Erdgeschoß eines der Bergmannshäuschen. Nicht die Stahlwerke hatten ihn angeworben, sondern ein Steiger aus ihrem Heimatort hatte ihnen vom schönen Breisgau erzählt. Herr E. war ein Naturfreund und mochte Süddeutschland, und so hatten sie beschlossen, den Arbeitsplatz zu wechseln und umzuziehen.

Schon damals empfand Frau E. die Wohnung als sehr beengt: Ein kleiner Flur mit zu den Nachbarn im Obergeschoß führender Treppe, nach der Wohnungstür die Wohnstube mit winziger Küche, dem Elternschlafzimmer und einem heute als Speisekammer dienenden Kinderzimmer. „Ich weiß nicht, warum die das Kinderzimmer so winzig gemacht haben. Sie wussten doch, dass die Leute hier alle mehrere Kinder hatten“, meint sie. Nach dem Krieg bekam sie nochmal zwei Kinder, und so zog sie in Ebringen fünf Kinder groß.

Das Leben war schwer. Die Leute in Ebringen mochten die Zugezogenen nicht, besonders Bauer G. war böse auf sie; er hatte sein Land für die Siedlung hergeben müssen, „aber dafür konnten wir ja nichts“. Man beschimpfte sie als „Zigeuner“ und auch „Morgenländer“, letzteres ein Wort, das heute gänzlich aus unserem Schimpfwortschatz verschwunden ist und auf die „fremde“ Konfession hinweist, waren die Neuen doch meist evangelisch. „Das war wohl das Schlimmste“, glaubt sie. Die nächste evangelische Kirche war in Wolfenweiler, dort gingen sie ab und zu hin, „aber regelmäßig ging das ja nicht, mit den Kindern“. Auch mit den Nachbarn gab es Probleme, besonders, wenn die Männer tranken und randalierten.

Sie berichtet, dass in den „schlechten Zeiten“ die Leute aus der Stadt mit großen Taschen gekommen seien, um bei den Bauern Bettwäsche, Schuhe und Wertsachen gegen Lebensmittel zu tauschen. „Wir hatten nichts zum Tauschen, und so bekamen wir auch nichts.“ Nichtmal einen Apfel durften die Kinder aufheben, und „wenn sie eine Handvoll Gras für die Hasen rupften, gab es den größten Krach“. Im kleinen Garten baute sie Gemüse an und hielt zeitweise Hasen und Hühner. Mit den Einheimischen kam sie nie richtig in Kontakt, bis heute nicht.

Das Trafohäuschen, Ebringen - Im Gegensatz zu div. Literatur noch stehend. Foto: IG Bergbau am Schönberg

Der Mann arbeitete in dem „kleinen Bergwerk“, wie sie es nennt, und sie erklärt, dass sie vom Ruhrgebiet ja anderes gewohnt gewesen seien, denn dort seien „die Schächte Hunderte von Metern tief, und hier geht es ja gerade mal so rein“. Sie selbst war nie untertage, das sei „für Frauen verboten“ gewesen. „Nach dem Krieg krochen die Kinder noch darin herum, bis die alles zugemacht haben.“ Außer der Bezahlung, die sie „erbärmlich schlecht“ nennt, bekamen die Bergleute billige Kohlen: Nur 45 Pfennig kostete der Zentner, pro Monat bekamen sie nach ihren Angaben 10 Zentner, „einen ganzen Wagen voll“, nur im Sommer wurde mit der Lieferung zwei Monate pausiert.

Nach nur einem Jahr im Bergwerk wurde der Mann zur Wehrmacht eingezogen, zuerst nach Lothringen, dann weiter. Er war sechs Jahre lang weg, sie mit den Kindern den ganzen Krieg über allein. Nachdem er zurückgekommen war, arbeitete er noch zehn Jahre „im Salz“ in Buggingen, „aber da war seine Lunge schon geschädigt“. Nein, an eine Rückkehr ins Ruhrgebiet hätten sie nie gedacht. Andere Familien und besonders die unverheirateten Bergmänner zogen nach Schließung der Gruben allerdings wieder fort.

Heute sind alle Bergmannshäuser an Privatleute verkauft, die sie fast alle renovierten und heutigem Wohnstandard anpassten. Hasenställe und Gemüsegärten wichen schmucken Blumenbeeten. Die Wände seien „papierdünn und sehr hellhörig, aber die Keller sind gut“, berichtete im Frühling 2009 ein St. Georgener Hausbesitzer.

Arbeiter und Zwangsarbeiter

Die meisten der zugezogenen Bergmänner aber waren ledig. Für sie wurden in Ebringen und St. Georgen Wohnbaracken gebaut. Auch Männer aus den umliegenden Ortschaften fanden Arbeit im Bergwerk, arbeiteten wohl aber nicht immer zur vollständigen Zufriedenheit der Betreiber. Die im Bergbau nicht erzogenen einheimischen Kräfte feierten und bummelten stark, klagen sie in einem Jahresbericht. Ob das Einzelfall oder die Regel war, wissen wir nicht. Inwieweit die Arbeiter mit ihren Arbeitgebern zufrieden waren, wird an keiner Stelle erwähnt. Noch heute aber wird die Geschichte kolportiert, dass bei einem „Kameradschaftsabend“ der Bergleute die Kameraden ihre Chefs vermöbelt hätten, vermutlich unter erheblichem Alkoholeinfluss. Die Gründe dafür sollen nicht nur in der momentanen Situation, sondern an grundsätzlichem Unmut gelegen haben. Jedenfalls fand in den folgenden Jahren kein Kameradschaftstrinken mehr statt, zumindest kein offizielles.

In den Jahren 1938 bis 1940 kamen aufgrund des Münchner Abkommens sogenannte „Volksdeutsche“, also Bewohner ehemaliger „Ostgebiete“ dazu: Sudetendeutsche und Deutsche aus Polen, die von den alten und neuen Ortsbewohnern ebenfalls nicht mit offenen Armen aufgenommen wurden, „halbe Polacken“ nannte man sie verächtlich. Viele von ihnen konnten natürlich kein Deutsch. Später kamen Elsässer, die ihrer Sprache wegen von der Bevölkerung weniger als Franzosen, sondern eher als „richtige Deutsche“ empfunden wurden.

Darauf, dass besonders bei den Oberschlesiern die Klarstellung der Nationalitätenfrage unmöglich blieb und auch bleiben musste, wirft ein Schreiben der Stahlwerke an den Ebringer Bürgermeister Franz von 1940 ein kleines Licht. Darin heißt es: Die Erhebungen, ob es sich um Kongresspolen oder um Volksdeutsche handelt, sind bis heute noch nicht abgeschlossen und auch so gut wie in keinem Fall geklärt. Da es sich um Leute aus den ehemals deutschen Gebieten handelt, sollen sie, solange keine Klarheit besteht, als Volksdeutsche betrachtet und behandelt werden. [...] An und für sich ist die Anheftung des Abzeichens „P“ ja nur zulässig bei den Ostoberschlesiern, die einwandfrei als Kongresspolen angesprochen werden müssen. Inwieweit sich deren „Behandlung“ außer durch den Zwang, ein sichtbares Emblem tragen zu müssen, unterschied, wurde hier nicht weiter ausgeführt. Wir können jedoch annehmen, dass sie unter noch schlechteren Bedingungen als die „Volksdeutschen“ leben und arbeiten mussten.

Kriegsgefangene Zwangsarbeiter, untergebracht im Lager St. Georgen und strengstens bewacht, mussten ab 1940 in den Gruben schuften, zuerst etwa 250 Franzosen. 1941 ersetzte man sie durch russische Kriegsgefangene. Diese kamen schon in erbärmlichem, halb verhungerten Zustand an, viele von ihnen krank. Die Arbeit untertage war hart, das Essen völlig unzureichend. Oft wurden sie bei der Arbeit ohnmächtig. Die Zwangsarbeiter, die das Lager überlebten, wurden nach Schließung der Grube 1942 an andere Arbeitsplätze verfrachtet.

Um vor Augen zu führen, wie elend es auch den „Volksdeutschen“ ergangen sein muss und wie groß die allgemeine Not war, sei hier aus einem Schreiben der Stahlwerke von 1940 zitiert:
In unserem Wohnlager Ebringen befinden sich 45 Oberschlesier. Für diese Leute haben wir eine Waschküche eingerichtet, wo von 2 Frauen, die in unseren Diensten stehen, die Wäsche gewaschen, geflickt und gestopft wird. Hierzu benötigen wir Stopfgarn und Nähfaden. Da diese Leute zum größten Teil schon lange arbeitslos sind, sind sie in Wäsche und Kleidung sehr dürftig ausgerüstet. Würde man nun die Punkte für Stopfgarn und Nähfaden an ihrer Kleiderkarte abschneiden, dann beeinträchtigt dies die Möglichkeit zu anderen Anschaffungen, die unbedingt notwendig sind, ausserordentlich. Wir stellen daher hiermit den Antrag, uns für die Insassen des Wohnlagers Ebringen eine Sonderzuweisung an Nähfaden und Stopfgarn zu genehmigen. Diese Zuweisung würde dann von dem Lagerführer in Verwaltung genommen. Eine sparsame und geordnete Verwendung wird von uns garantiert. Das Landratsamt bewilligte für alle endlich drei Reichsmark im Monat. Hier stellt sich natürlich die Frage, wie es erst bei den Zwangsarbeitern ausgesehen haben mag.

Während der Beruf des Bergmanns zweifellos ein Männerberuf ist, war und ist die Arbeit von Frauen untertage entgegen landläufiger Meinung zwar sicher nicht üblich, kam und kommt aber weltweit immer wieder vor. Das zeigt eindrucksvoll eine Ausstellung „Frauen und Bergbau“ seit 1989 im Deutschen Bergbaumuseum Bochum.

Eisenbahnstollen mit Nebenraum, Versturz. Foto: IG Bergbau am Schönberg

In Deutschland gab es 1940 eine Verordnung, dass „in dringenden Fällen“ Frauen zur Arbeit untertage herangezogen werden sollten. Im Schönberg standen sie nicht an schweren Abbauhämmern, es gibt allerdings Hinweise darauf, dass Frauen untertage arbeiteten.

1958 nämlich benötigte eine ehemalige Sekretärin der Vereinigten Stahlwerke eine Bestätigung über geleistete Untertagearbeit: Ihr Büroarbeitsplatz wurde 1945 der Bombengefahr wegen vermutlich in den als „Luftschutzraum“ bezeichneten Nebenraum des Eisenbahnstollens verlegt. Sie litt an Herzbeschwerden und Angina und wollte ihre Rente einklagen. - Ob sie damit Erfolg hatte, ist leider unbekannt.
Tatsächlich wird berichtet, dass im März 1945 zwei Bomben auf das Zechengelände fielen. Sie beschädigten Dach und Fenster, Menschen kamen nicht zu Schaden.

Das Ende

Mundloch und Pinge, Ebringen, 2008. Foto: IG Bergbau am Schönberg

1942 wurde der Erzabbau am Schönberg eingestellt. Waren 1939 noch etwas mehr als 900 Menschen beim Bergwerk beschäftigt, veringerte sich ihre Zahl durch Einberufung der Männer zum Kriegsdienst radikal und betrug bei Schließung der Grube nur noch etwa 100. Durch die Besetzung Lothringens durch die Wehrmacht standen hochwertigere Erze zur Verfügung. Dazu kam allerdings auch, dass durch die großtechnische Einführung des schon vorher entwickelten Paschke-Peetz-Verfahrens zur Verhüttung saurer Eisenerze das Schönberger Erz in seiner Funktion als kalkhaltiger Zuschlag entbehrlich geworden war.
Die Bergleute wurden auf anderen Gruben verlegt. Da eine eventuelle Wiedereröffnung nicht ganz ausgeschlossen wurde, verblieb eine kleine Belegschaft auf dem Zechengelände in St. Georgen, um die die Anlagen unter- und übertage weiter betriebsbereit zu halten. Auch die Grubenverwaltung Süd, zuständig auch für Ringsheim und Teufelsgrund, blieb dort.
Endgültig geschlossen wurde 1944. Die Vereinigten Stahlwerke wurden aufgelöst. Ihre Rechtsnachfolgerin, die neugegründete Barbara Erzbergbau Aktiengesellschaft, trat 1953 in ihre Fußstapfen und übernahm lückenlos die Geschäfte.

Albiez-Stollen, 1978. Foto: Deutsches Bergbauarchiv Bochum.

In den Jahren nach dem Krieg wurden nach und nach viele der oberirdischen Spuren des Bergbaus getilgt, andere verschwanden von selbst. Oberhalb St. Georgens, beim Mundloch zum inzwischen verschlossenen Stollen 1, wurden Unmengen von Trümmerschutt aus Freiburg abgeladen, der die Landschaftsstruktur einschneidend veränderte. „Do liegt 's halbe Friiburg“, meinte ein 80-jähriger St. Georgener Zeitzeuge. Die Baracken des ehemaligen Arbeitslagers wurden abgerissen, verwendbares Material aus den Stollen ausgebaut, die Mundlöcher gesichert oder wie in Ebringen zugemauert oder verschüttet. Von der Seilbahn wurden erst die Stahlseile abmontiert und verschrottet, 1967 auch die Stützen, anschließend die Gleisanschlüsse des Zechengeländes. Den eisernen Förderturm des Mösleschachts ereilte das gleiche Schicksal, die Fördermaschine kam ins Bergwerk Teufelsgrund im Münstertal und verrichtete dort noch jahrelang ihren Dienst. Der Schießstandschacht wurde abgedeckt und verschüttet, der Mösleschacht mit Haldenmaterial aus der Nähe vollständig verfüllt, der Möslestollen zugeschüttet.

Das kleine Industriegebiet in Ebringen wurde bis auf die Grundmauern demontiert, die Bandstollenbrücke komplett abgebaut. Über die Stolleneingänge weiter südlich wurde Bauschutt abgeladen. Die Mundlöcher oberhalb des Jesuitenschlosses, darunter auch das des Albiez-Stollens, zerfielen nach und nach. Ein Mundloch am Steinberg in Bollschweil fiel der Flurbereinigung in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts zum Opfer und verschwand so spurlos.

Bandstollenpinge 2009, Foto: IG Bergbau am Schönberg

Durch Einsturz der Stollen, besonders direkt hinter den Mundlöchern, wo die Erdbedeckung dünn war, bildeten sich rund um den Schönberg Pingen. Die Bergmannssprache bezeichnet damit trichterförmige Vertiefungen an der Erdoberfläche, die durch den Einsturz von Grubenbauten entstehen, manchmal in einer dem Grubenverlauf folgenden Reihe. In den sechziger Jahren brach an mehreren Stellen die Erde ein, bei Bollschweil öffnete sich „ein kreisrundes Loch mit einem Durchmesser von einem Meter“, bei Ebringen derer gleich zehn. Es kam vor, dass Stollen dadurch wieder zugänglich wurden. Solche Löcher wurden gesichert und verfüllt, allerdings manchmal schneller als erwünscht: Kaum öffnet sich ein Loch, werfen alle ihren Dreck rein, wurde nach einer Besichtigung der Bergschäden geklagt. In Bollschweil schnitt 1968 der Kalksteinbruch das Bergwerk an, schwenkte dann aber nach Norden ab, so dass es weiter unberührt blieb.

Schon 1949 war berichtet worden, dass 35.000 Tonnen Erz, das noch nach dem letzten Abtransport 1946 auf dem Zechengelände auf Halde lag, durch Wettereinflüsse vollständig zerfallen und somit wertlos sei. Sein Abtransport zog sich über Jahre hin. 1980 endlich wurden die beiden verbliebenen riesigen Betonbauten, die Erzbunker, gesprengt und das Gelände eingeebnet; schwer vorstellbar, dass jemand ihr Verschwinden bedauern könnte, nicht einmal als Baudenkmale. Auf dem Platz steht heute eine Wohnsiedlung.

Albiez-Stollen, 2009. Foto: IG Bergbau am Schönberg

Wenn wir heute über den Schönberg streifen und die Augen offenhalten, finden wir trotz allem immer noch viele Zeugen des einstigen Bergbaus. Geht man oberhalb des Jesuitenschlosses den Weg am Waldrand entlang, kann man bergseitig mehrere Aufschüttungen und Vertiefungen entdecken: Halden und Pingen, auch einige völlig zerfallene Stolleneingänge. Vor zweien thronen efeuumwundene Betongebilde in Form von Türstöcken, den Befestigungen der alten Mundlöcher, eines davon zum Albiez-Stollen. Ältere Leute berichten, dass man vor Jahren noch hineinschauen und sich gruseln konnte. Inzwischen sind alle verstürzt und brombeerüberwachsen.

Am südlichen Ende der Schneeburgstraße, dort, wo der Weg nach links Richtung Jesuitenschloss abbiegt, begann das Gelände des ersten Stollens, des Stollen 1. Am Fuße des Hügels ganz verborgen, stehen zwei Betonpfosten. Sie trugen den kleinen Verladebunker, über den das Gestein von oben auf Lastwagen geladen und abtransportiert wurde. Geht man den steilen Weg halb rechts hoch, gelangt man zum Schießplatz des Schützenvereins St. Georg, wo sich in der hinteren linken Ecke des Geländes Stollen 1 öffnete. Eine Tafel weist auf den hier abgeladenen Trümmerschutt hin, aber nichts mehr auf die große Baracke, in der die Zwangsarbeiter eingepfercht waren. Der Platz wurde überschüttet, der Wald hat alles in Besitz genommen.

Anlagen am Mösleschacht, 2007, Foto: IG Bergbau am Schönberg

Vom Mösleschacht, in den einst mitten im Wald Bergleute einfuhren, blieben die klobigen Grundmauern, wie die anderen Bauten aus grobkörnigem, kiesigem, im Volksmund treffend „Nazibeton“ genannten Beton bestehend, jetzt bröselig und moosbegrünt. Mit etwas Fantasie kann man ausmachen, wo die Fördermaschine verankert war. Daneben erkennt man das verschlossene Mundloch des Möslestollens. Die ausrangierte Fördermaschine steht übrigens noch immer im Besucherbergwerk Teufelsgrund im Münstertal, und wenn man sie ansieht, wundert man sich darüber, wie klein sie ist.

Auf dem Zechengelände in St. Georgen blieben alle Büro- und Werkstattgebäude erhalten, in ihren Räumen residiert nun das Albertus – Magnus – Haus. Das Mundloch des Eisenbahnstollens, aus dem sommers ein kühler Hauch weht, wurde mit einem Eisengitter verschlossen. Einmal im Jahr, am Tag der offenen Tür des Hauses, wird es geöffnet, und Besucher dürfen den Stollen mit fachkundiger Führung ca. 170 Meter bis zum Versturz bestaunen. Über dem Mundloch zeigt ein für seine Zeit typisches Gemälde zwei arbeitende Bergleute. Drinnen dann führt ein kleiner Bach klares Wasser; die Mauerung des Stollens, verrostete Eisenteile und Rohre sind im Dunkel erkennbar, von der Decke hängen kalkige Tropfsteine. Die Luft riecht kühl und modrig. Einst qualmten und lärmten hier die Grubenloks.

Sogar der kleine Lokschuppen an der Bahnlinie steht noch, ein Bildhauer klopft dort seine Steinskulpturen.

Seilbahnfundamente 2007, Foto: IG Bergbau am Schönberg

Auf dem Zechengelände endete auch die Seilbahn, die das Erz brachte. Sie ist längst abgebaut, aber alle 14 Stützfundamente stehen noch, teils gras- und moosbewachsen, teils im Wald verborgen oder fast gänzlich in Brombeerhecken verschwunden. Die Seilbahn begann im Erzbunker, einem mächtigen Betonturm oberhalb Ebringens: Auch dort blieben vom kleinen Industriegebiet nur die Fundamente von Büros, Werkstätten, Lager, Waschkaue entlang des Hangs. Das backsteingemauerte Trafohäuschen trotzt noch der Zeit. Seines Daches beraubt scheint es, den modernen Müllspuren nach zu urteilen, manchmal jemandem Obdach zu geben. Eine Betonmauer steht wenig oberhalb des Geländes baumumwunden in einem kleinen Tobel, möglicherweise sollte sie vor herabrutschenden oder fallendem Material schützen. Wilde Clematis, Brombeersträucher und Heckenrosen überwuchern das Gelände, und wenn die Bäume Laub tragen, verbergen sie es vollständig.

Oberhalb auf der anderen Seite des Weges liegt eines der wenigen noch sichtbaren Mundlöcher. Hinter der aufgebogenen Eisentür wird vor einer Vermauerung wenige Meter stabiler Stollen sichtbar, auf der Außenseite erkennt man seinen Einsturz an einer tiefen, länglichen Pinge und an einem dicken Eisenrohr.
Von der überdachten Bandbrücke, der Verbindung zwischen Bandstollen und Erzbunker, in der das Gestein auf einem langen Förderband transportiert wurde, blieben nur einige paarige Betonstützen. Ihre Linie weist zum spurlos verschwundenen Mundloch des Bandstollens neben der Kurve des Weges. Erst weiter oben gibt es einige tiefe Pingen. Im Winter zünden Waldarbeiter gelegentlich windgeschützt ihre Feuerchen darin an, manche halten sie für Bombentrichter.

Erzbunker oberhalb Ebringens lächelt durch den Wald... Foto: IG Bergbau am Schönberg

Den alten Tagebau findet man rechts neben dem Fahrweg, der von der Berghauser Kapelle zum Unteren Schönberger Hof führt. Er hat sich mit Wasser gefüllt, und wären da nicht zwei kleine Betonplatten und ein aufgegebener und zugewachsener Zufahrtsweg, könnte man ihn fast für einen kleinen natürlichen Teich halten. Eine mannigfaltige Tier- und Pflanzenwelt hat sich dort breitgemacht, im Frühjahr wimmeln darin Massen von Kaulquappen, später quaken die Frösche.
Geht man den Weg ein Stück weiter, kann man nach ca. 200 Metern auf der rechten Seite bergaufwärts eine sehr lange Pingenreihe entdecken.

Was wird nun in Zukunft aus dem Bodenschatz, der noch im Schönberg schlummert? Immerhin zeigt ihn eine große Informationstafel im Bergbaumuseum Bochum als bedeutendes Erzvorkommen. Noch 1957 waren erste Bemühungen, den Schönberg unter Naturschutz zu stellen, am Einspruch der Barbara – Erzbergbau gescheitert. Sie hatte darauf hingewiesen, dass durch den zu gegebener Zeit wieder aufgenommenen Bergbaubetrieb Veränderungen auf der Tagesoberfläche mit Bestimmtheit zu erwarten sind und bekam die Zusicherung, dass keine Naturschutzmaßnahmen ergriffen würden. Das hat sich inzwischen geändert; große Teile des Berges stehen unter Natur- oder Landschaftsschutz. Dennoch ist es zwar unwahrscheinlich, aber doch denkbar, da die Rohstoffe weltweit immer knapper und begehrter werden, dass auf das Erz im Schönberg wieder begehrliche Blicke geworfen werden und einen neuerlicher Abbau in Erwägung gezogen wird. Wir hoffen, dass es soweit nicht kommen wird.

Einstweilen aber steht nur noch der Erzbunker oberhalb Ebringens: Im Sommer gänzlich vom Laub der Bäume verborgen, lugt er im Winter freundlich über das kahle Geäst, das Dorf und die Rheinebene Richtung Westen.

Literatur:

Albiez, Gustav: Eisenerz – Bergbau am Schönberg bei Freiburg/Brg. In: Badische Heimat 2/1978. Freiburg 1978.
Meyer, Christoph: Der Erzbergbau am Schönberg bei Freiburg i.Br. und seine Folgen auf die Landschaftsentwicklung. Zulassungsarbeit zur wissenschaftlichen Prüfung für das Lehramt an Gymnasien. Freiburg 1979.
Liessem-Breinlinger, Renate: Die Belegschaft der Grube Schönberg in Ebringen. In: Schau-ins-Land, 103. Jahresheft. Freiburg 1984.
Spitzmüller, Bernd; Ecker, Ulrich P. (Hrsg.): „ ... aber das Leben war unvorstellbar schwer“: Die Geschichte der Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen in Freiburg während des Zweiten Weltkriegs. Freiburg 2004. Darin: Maximale Ausbeutung bei schlechtester Behandlung und Ernährung: Zwangsarbeitereinsatz im Bergbau. S. 87 – 88.

Quellen:

Stadtarchiv Freiburg: II/17/3; II/17/4.
Staatsarchiv Freiburg: F 235/5 Nr. 107; F 235/6 Nr. 14; F 235/9 Nr. 49.
Bergarchiv Freiburg: 221/2; 221/3; B I c 18; B I c 5; B I c 6; Jahresberichte der vereinigten Stahlwerke.
Gemeindearchiv Ebringen.
Deutsches Bergbauarchiv Bochum: Fotobestand Vereinigte Stahlwerke; Fotobestand Nachlass Gustav Albiez.

Zitieren Sie bitte:

Rössler, Christina: "Nicht gerade im Goldrausch". Kleine Geschichte des Bergbaus am Schönberg.
www.kartan.de. Freiburg 2009.