Das Rätsel Tegeler-Schlürs (Oder: Tegeler-Schlüns)

In der genauen Mitte des Stockhaldekehrtunnels befindet sich eine im Gegensatz zu den anderen Tunnelnischen wesentlich größere Nische, die im Bogen des Deckentonnengewölbes die Inschrift "Tegeler-Schlürs" eingemeißelt trägt.

Diese Nische befindet sich genau gegenüber einer der ziemlich effektiven Verbruchventilationsklüfte, an denen der Stockhaldekehrtunnel so reich ist. Daher konnten hier Streckenarbeiter im Zeitalter der Dampflokomotiven Schutz vor dem Gequalme der Loks finden.

Lustigerweise liegt dieser Scheitelpunkt des Tunnels (und damit zufälligerweise mit der lüftenden Kluft) mit nur sehr geringer Scheiteldeckung unter dem Gewann 'Im Gründle', so daß bei geeigneter Witterung leicht Rauch aufsteigend erkannt bzw. gerochen werden kann (Dank an Herrn Reimer für diesen Hinweis!).

 

Ein finsterer Tunnel, wie?

Ich bin mir noch nicht ganz sicher, wie das beim Bau des Tunnels aussah. Herr Bill Reimer vom Museum der Sauschwänzlebahn meint, daß beim Bau des Tunnels ausschließlich Druckluftlokomotiven Verwendung fanden, dieser Sinn der Nische also zumindest damals nicht geplant oder wenigstens benutzt wurde.
Ich erlaube mir, hier anderer Meinung zu sein. Meiner Meinung nach wurde beim Bau des Großem Stockhaldetunnels zumindest eine speziell angepaßte (Koks-)Dampflokomotive benutzt: "Speziell für den Tunnelbetrieb waren in Verwendung und dauernd auf dem Loos stationirt: 4 Lokomotiven, darunter eine Kraus'sche Hochdruck-Maschine mit 16 Athmosphären Kesseldruck, Coaksfeuerung und besonderem Abdampfrohr für die Fahrt im Tunnel,[...]" (A. von Würthenau, "Denkschrift zur Erbauung der strategischen Bahnen", Seite 183).

 

Sicherlich wundert man sich, warum diese Kuppelwölbung im Gegensatz zu der (unten in einem Streifen sichtbaren) sonstigen Tunnelwand (kleines Beispiel rechts) so ausgesprochen sauber erscheint.

Das ist relativ einfach zu sagen: Die Sauschwänzlebahn wurde nicht nur als strategische Bahn projektiert und erbaut, sondern wurde auch während des Kalten Krieges aus strategischen Zwecken gefördert. Sie wurde daher 1962/63 durch die NATO generalsaniert, und dabei wurde neben anderem auch dieser Bereich auf Schäden untersucht und völlig saniert (Dank an Herrn Reimer für diesen Hinweis).

 

Die Entscheidung, ob "Schlürs" oder "Schlüns" richtig ist, dürfte ohne einen Reliefabrieb dieser Steinplatte, der bei Gelegenheit nachgeliefert wird, schwer sein: Eine Vergrößerung des obigen Bildes verschwimmt im Pixelsumpf, wie man nebenstehend wohl sieht. Ich tendiere, wie gesagt, eher zu "Schlüns", aber jedesmal, wenn ich das Bild betrachte, werde ich unsicherer - man vergleiche die Zusammenstellung TegelER-SchlüNS im Ausschnitt weiter unten.

Die Herkunft des Namens "Tegeler" ist mir inzwischen bekannt: Richard Tegeler war der zuständige Abteilungsingenieur im Abschnitt der Wutachtalbahn vom Grimmelshofer Tunnel bis zum Talübergang Fützen, was natürlich den Stockhaldekehrtunnel mit beinhaltet. Er war bei der Firma Philipp Holzmann abgestellt, die diesen Bauabschnitt 1887-1890 ausführte.

Meines Wissens wurde das Archiv der ehemaligen Firma Ph. Holzmann dem Stadtarchiv Frankfurt angegliedert. Dort wurde mir aber (leider) die Auskunft erteilt, daß "[...] im Bestand Philipp-Holzmann-Archiv gibt es leider keine Hinweise auf die Wutachtalbahn. [...] vor allen Dingen Fotografien und historische Pläne. Akten sind in nur sehr geringem Umfang vorhanden. Diese sind in Übersichten erfasst. Personenbezogene Unterlagen besitzen wir nicht.".

Allerdings steht zu erhoffen, daß das Stadtarchiv Frankfurt noch weitere Unterlagen der Fa. Holzmann erhält - vielleicht lohnt sich eine spätere Anfrage (Dank an Frau Sylvia Goldhammer vom Stadtarchiv Frankfurt).

Was aber, wie gesagt, noch völlig ungeklärt ist, ist die Herkunft des Namens "Schlürs/Schlüns". Wie mir mehrere Quellen mitteilten, wurden beim Bau der Bahn hauptsächlich italienische Arbeiter eingesetzt, keine holländischen (was ich wegen des Klangs des Namens vermutete); auch ist mir kein solcher Ortsname bekannt. Meines Wissen sind beide Namen "Schlürs" und "Schlüns" eher in Norddeutschland verbreitet, aber weder ich noch andere konnten bisher irgendeinen Zusammenhang zur Sauschwänzlebahn generell herstellen - in den vorliegenden Unterlagen kommt er nicht vor.

 

Dampflok G3/4 der Rhätischen Bahn<br>Bild (c) <link http://www.rail-info.ch>Klaus Canavan</link>

Ich versuche daher derzeit, dem Weg Richard Tegelers auch auf anderen Baustellen nachzuspüren, denn irgendwo muß diese Verbindung ja stecken. Die Fa. Holzmann war ja ziemlich aktiv, sie hat beispielsweise die erste Linie der Rhätischen Bahn, Landquart - Davos (Eröffnung 1889 bis Klosters, ein Jahr später bis Davos, erbaut (Dank an Herrn Peider Härtli von der Rhätischen Bahn). Daher versuche ich zur Zeit, zu weiteren Bahnen, die ebenfalls (grob) um diese Zeit entstanden, Kontakt aufzunehmen und die entsprechenden Archive zu finden. Ein weiterer Schritt wird sein, erhaltene Kirchen- und Standesamtsbücher einzusehen; möglicherweise war Schlürs/Schlüns der Mädchenname seiner Frau oder eine Jugendliebe, wer weiß. Beispiele dafür gibt es ja genug; ich möchte hier nur an die Benennung der Barbiturate/der Barbitursäure erinnern, die der Entdecker A. v. Bayer nach seiner Jugendliebe Barbara benannte.

Weiteres kann ich daher derzeit nicht zu diesem Rätsel sagen, außer daß mich die Neugier plagt, und ich mit Sicherheit weiterforschen werde. Neues werde ich hier natürlich gleich mitteilen - man darf gespannt sein; ich bin es auch.

Ich wäre über Hilfe zu diesem Thema natürlich äußerst dankbar. Sollte jemand eventuell mehr dazu wissen, bitte ich um Mitteilung.