Experimentelle Archäologie - Bergeisen

Bergeisen und andere Gezähe waren mehr oder weniger Massenware; sie gehören zu den am häufigsten auftretenden Funden. Da sie sich gewöhnlich in einem steten Kreislauf Abnutzung - Neuschmieden - Abnutzung - Neuschmieden befanden, liefern sie nicht nur Erkenntnisse über Schmiedeabläufe und -techniken, sondern auch über Fehler und Unachtsamkeiten, die dabei auftreten.

Manche dieser auftretenden Fehler sind leicht zu erkennen, zum Beispiel, wenn die Ausschmiedung der Bergeisenspitze ungleichmäßig erfolgte. Andere dieser Fehler sind weniger augenfällig und werden erst im Experiment bemerkbar. Viele dieser Merkmale an Fundstücken können erst dann richtig interpretiert werden, wenn der Vorgang nachvollzogen wird und so in ein Ganzes eingepaßt werden kann.

Es liegt also nahe, versuchsweise selbst Bergeisen zu schmieden, nicht zuletzt, weil es eine Menge Spaß macht (eine wesentliche Triebfeder). Also: Factum est.

In der Praxis

Anheizen unserer improvisierten Esse mit Steinkohle
Anheizen Schmiede Esse Steinkohle Bergeisen

Natürlich benötigt man zum Schmieden dreierlei: Eine Esse, ein Gebläse, und Kohle. Die Esse improvisierten wir einfach aus einem Metalleimer ohne Deckel und einer Art Metallschale, wir wir irgendwo fanden. Die Metallschale erhielt ein mittelgroßes Loch im Boden, um später die Luft einzulassen. Als Gebläse erfüllte ein handelsüblicher Fön seinen Zweck; der von ihm erzeugte, regelbare Luftstrom wurde durch einen Staubsaugerschlauch in ein seitliches Loch im Eimer eingeblasen und damit von unten in die Metallschale. Ein Eisengitter unten in der Schale schließlich verhinderte das Durchrutschen der Kohle.

Als Kohle verwendeten wir Steinkohle (genaugenommen Fettkohle) - sicher nicht ganz originalgetreu, aber wir hatten noch Steinkohle und wollten nicht auf den schönen Dampflokduft verzichten.

Die Eisenstücke werden auf Schmiedetemperatur gebracht
Schmiedetemperatur Bergeisen Esse Steinkohle Stahl

Als Rohlinge für die Bergeisen verwendeten wir handelsübliche Vierkantstangen aus unlegierten Kohlenstoffstahl mit einem bis anderthalb Prozent Kohlenstoff, wie er gut auch im Mittelalter hätte verwendet werden können Diese sägten wir einfach in relativ gleich lange Abschnitte, um einigermaßen vergleichen zu können.

Hier also eines dieser Stücke beim Anheizen auf Schmiedetemperatur; man muß genau hinschauen, um es im Bild zu erkennen. Wir nehmen anhand der Farbe der glühenden Stücke an, daß wir im Endeffekt leicht unterhalb von 1000°C lagen, also relativ kühl. Nun gut, die im Mittelalter hatten in den Bergschmieden auf Holzkohle sicher auch nicht immer die heißesten Eisen (in doppeltem Sinne).

Bergeisen: Ausschmieden der Spitze
Bergeisen Spitze schmieden

Zuerst schmiedeten wir also die Spitzen aus. Bereits hier stellt sich eine Myriade an Fehlermöglichkeiten heraus: Das Eisen darf nicht aufliegen, sondern muß am Ende stets im richtigen Winkel angehoben werden, sonst bildet sich eine asymmetrische Spitze. Die Schlagfläche des Hammers muß ebenfalls im richtigen Winkel gehalten werden, sonst bilden sich Stufen. Das Ganze muß zudem recht schnell geschehen, sonst verzundert die Spitze bei zu häufigem Nachheizen.

Diese und viele andere Fehler zeigen wir weiter unten noch im Detail. Viele dieser Fehler tauchen, nebenbei bemerkt, auch an Originalstücken aus dem Mittelalter auf.

Bergeisen: Ausschmieden der Spitze
Bergeisen Spitze schmieden

Mit einiger gewonnener Erfahrung also läßt sich die Spitze rasch ausschmieden: Das Eisen angemessen erhöht halten, bei jedem Schlag um ein Viertel drehen und auf den Hammerwinkel achten. Je schneller man arbeitet, desto besser, ansonsten bildet sich zuviel Zunder und generell Fehlstellen.

Allerdings hat es keiner von uns geschafft, eine Spitze in einem Zug ohne Zwischenheizen auszuschmieden. Bei größerer Erfahrung ist dies aber mit Sicherheit möglich; mittelalterliche Schmiede dürften damit auch allein keine Schwierigkeit gehabt haben.

Bergeisen: Eintreiben des Stiellochs
Bergeisen Loch Stiel eintreiben

Der zweifellos schwierigste Arbeitsgang besteht im richtigen Eintreiben des Lochs zur Aufnahme des Stiels. Das Loch sollte natürlich zur bequemen Handhabung besonders bei den langen Bauformen wie Sumpfeisen im Schwerpunkt des Eisens liegen, und es muß dazu natürlich gerade sitzen.

Für uns keine leichte Übung (mit zugegebenermaßen nicht ganz perfekten Ergebnissen). Zumindest bei uns war es nötig, diesen Arbeitsschritt zu zweit auszuführen, um ein Festsitzen mit anschließend nicht mehr lösbarer Verbindung des Meißels im Loch zu verhindern.

Bergeisen: Eintreiben des Stiellochs
Bergeisen Eintreiben Stielloch Schmieden

Ein geübter (mittelalterlicher) Schmied schafft diesen Arbeitsgang sicherlich allein und ohne zwischendurch das Eisen nochmal anzuheizen. Dennoch nehmen wir an, daß gewöhnlich zwei Personen, etwa Schmied und Gehilfe, diesen Schritt gemeinsam ausführten, da so die Arbeit wesentlich besser von der Hand geht. Wir haben es allein nicht geschafft und mußten das Eisen jeweils mindestens einmal nachheizen.

Es wäre sehr interessant zu wissen, wie die Qualitätsverteilung der Stiellöcher bei mittelalterlichen Originalstücken ist. Durch die übliche Korrosion alter Stücke läßt sich das allerdings meistens sehr schlecht sagen, auch sind uns keine Untersuchungen dazu bekannt.

Bergeisen: Diverse Schmiedefehler
Bergeisen Schmiedefehler

Natürlich stellt sich die Frage, inwieweit ein solcher Versuch die Arbeit mittelalterlicher Schmiede nachvollziehen kann.

Einerseits kann er das vermutlich nur sehr eingeschränkt, da ein geübter Schmied normalerweise viele dieser Fehler sicherlich gar nicht erst begeht. Andererseits aber wohl schon, da das Schmieden und Umschmieden der Bergeisen einen wesentlichen Anteil der Arbeit eines Bergschmieds darstellte und so pro einzelnem Stück keine lange Zeit in Anspruch nehmen durfte; anders ausgedrückt also sicher Fehler in der Eile passierten.

Immerhin liefern solche Versuche neben anderem Erklärungen für bestimmte Merkmale mittelalterlicher Bergeisen. An dieser Stelle werden einige dieser Merkmale und deren Ursache noch ausführlicher vorgestellt werden, bis dahin genüge das nebenstehende Bild zweier Bergeisen, für die ein mittelalterlicher Schmied sicherlich geteert worden wäre. Und ja, viele dieser Fehler finden sich auch auf diversen originalen Bergeisen.

Eines aber steht mit Sicherheit fest: Selbst Bergeisen zu schmieden schafft ein vertieftes Verständnis für mittelalterliche Schmiede und Hochachtung vor deren Arbeit!

Bergeisen: Besondere Schmiedefehler (Abschmelzung durch Bildung niedrigschmelzenden, aufgekohlten Gußeisens bei vergessenem Eisen)
Bergeisen besondere Schmiedefehler Grillmeister

Ebenfalls steht fest, daß solche Versuche großen Spaß machen, besonders, wenn es etwas zu Lachen gibt. Hier ein exotischer Schmiedefehler, ausgelöst durch zu großes Aufpassen auf den Grill und zu geringes auf das Schmiedefeuer. Das schöne Bild wurde vermutlich durch im Feuer eindiffundierenden Kohlenstoff mit darauffolgender Schmelzpunktabsenkung a la Gußeisen ausgelöst, der erstarrte Fladen zur Spitze hin weist jedenfalls darauf hin.

Aber die Würstchen waren gut.

 

 

Videos

Ausschmieden der Spitze eines Bergeisens:

Eintreiben des Lochs für den Werkzeugstiel: Gar nicht so einfach zu verhindern, daß sich der Eintreibemeißel festsetzt.

Eintreiben des Lochs für den Werkzeugstiel, weiterer Versuch mit mehr Erfolg. Ungleichmäßiges erstes Einschlagen, zweites Ansetzen und Durchtreiben führt zu Bildung eines elliptischen Halbringes an Stielaufnahme - mitunter an alten Bergeisen auch zu sehen.

Anmerkung: Glutfarbe des Eisens in dieser Aufnahme kamerabedingt wesentlich röter als in Wirklichkeit erscheinend.