Experimentelle Archäologie - Versuche zur mittelalterlichen Erzschmelze

Es ist bekannt, daß die alten Griechen ausgefeilte Erzwaschtechniken mit ausgefeilter Wasserwiederverwertung beherrschen, wie die Ruinen von Lavrion zeigen; es kann wohl davon ausgegangen werden, daß die als gute Organisatoren bekannten Römer zumindest in manchen Gegenden Erzwäsche betrieben. In Produktion befindliche Erzwäschen schildert Agricola im Achten Buch seines Werkes De re metallica, Lazarus Erker kannte sie ebenfalls, wie aus seinen Büchern anklingt. Im Laufe des siebzehnten Jahrhunderts schließlich dürften sie sich allgemein durchgesetzt haben; ab diesem Zeitpunkt mag eine Erzpoche, die ja nur mit einer Wäsche zusammen Sinn hat, zum allgemeinen Standard gehört haben.

Aber die Bücher beider Autoren stammen aus der zweiten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts (jaja, Agricola grüßt von 1548, trotzdem zweite Hälfte) und stellen somit strenggenommen eigentlich keine mittelalterlichen Schriften mehr dar. Andere bekannte Manuskripte über ähnliche Themen datieren zumindest nicht wesentlich früher, und dies führt uns bereits zur einem Aspekt des Problems: Waren diese Techniken tatsächlich lange Zeit unbekannt oder vergessen, oder waren sie es nicht und fanden nur daher keinen schriftlichen Niederschlag, da das entsprechende Wissen von zunftähnlich organisierten Schmelzmeistern gehütet und nur gegen Bezahlung oder im Lehrverhältnis weitergaben?

Wenn diese Techniken zur Erzwäsche, also Anreicherung eines Metallerzes durch fließendes Wasser, aber tatsächlich etwa nach dem Abzug der Römer (so denn die Römer solche Techniken einsetzten) vergessen wurden, stellt sich die Frage, ob diese Techniken neu erfunden wurden oder erneut einwanderten. Obwohl die Hypothese des Neueinwanderns wahrscheinlicher erscheinen mag, wenn man die Vielzahl der Begriffe importierter Techniken im Kontext der Erzwäsche a la "Hungarischer Kehrherd" bedenkt, sind lokale Erfindungen oder Neuentwicklungen natürlich nicht auszuschließen.

Wenn diese Techniken aber, wie erwähnt, nicht vergessen waren, stellen sich natürlich weitere Fragen: Wurden diese Techniken nur selten eingesetzt, oder waren sie in mehr oder weniger rudimentärer Form verbreitet? Wenn sie mitunter eingesetzt wurden, wie oft und in welcher Form; und unter welchen Umständen? Oder vielleicht vom Ausgangspunkt einer Kosten-Nutzen-Relation her gefragt: Welcher Aufwand muß getrieben werden, damit eine Aufbereitung des Erzes, die über das reine Handscheiden hinausgeht, einen Nutzen bringt?

Erzwäsche im Experiment

Und eben diese Frage nach dem Aufwand bietet uns die nötigen Ansatzpunkte, durch das Experiment einer Antwort zumindest näher zukommen. Zusätzlich wird so vielleicht auch die Frage nach der nötigen Qualifikation der Erzwäscher beantwortet: Wenn jemand, der vom Tuten und Blasen der Erzwäsche wenig Ahnung hat, dennoch eine einigermaßen saubere Anreicherung hinbekommen kann, dann könnte das für weitere Verbreitung sprechen, da in in einem solchen Fall keine teueren Fachkräfte nötig gewesen wären - und ja, spezialisierte Fachkräfte waren im Mittelalter auch nicht billig. Also, frisch an's Werk!

Eine transportable Erzrutsche

Die Erzrutsche wird austariert
Experimentelle Archäologie mittelalterliche Erzaufbereitung Erzwäsche Justierung

Sicher sind viele Wege zu einer funktionierenden Erzwäsche möglich, es empfiehlt sich allerdings, erst klein anzufangen. Wir entschieden uns daher, zuerst von einer Rinne aus Holz auszugehen, um uns die nötigen Grundlagen zu vermitteln. Eine solche Rinne ist zudem einigermaßen transportabel, kann leicht mit verschiedenen Einsätzen ausgestattet werden, wenn erwünscht, und in verschiedenen Neigungen mit unterschiedlichen Wasserflüssen betrieben werden. Sie kann leicht austariert werden, ist leicht herzustellen und leicht zu reparieren.


Die Nachteile einer solchen Konstruktion, nämlich das lästige Verziehen des Holzes beim Wechsel von Naß zu Trocken und die Notwendigkeit zur dauernden Dichtung, fallen zumindest am Anfang weniger in's Gewicht.

Das Bild zeigt eine dieser Erzrutschen beim Austarieren - wie man sieht, läuft das Wasser in einer gleichmäßigen Schicht gut steuerbar entlang.

Die Frage der Einlagen

Erzrutsche: Versuche mit Einsätzen
Experimentelle Archäologie mittelalterliche Erzaufbereitung Erzwäsche Einsätze Fußmatten

Es hat sich direkt zu Anfang an gezeigt, daß im Prinzip keine Auflage notwendig ist - eine sehr rudimentäre Trennung erfolgt auch so, indem einerseits körnige Erzbröckchen aufgrund höherer Dichte langsamer vom Wasser abwärts verfrachtet werden, und andererseits besonders feine Erzflitterchen besonders an Stellen mit austretenden Holzfasern festgehalten werden. Die minimal hervorstehenden Holzfasern sind unter der Lupe gut sichtbar, nebenbei.


Diese Art des Festhaltens eines bestimmten Stoffes erinnert zwar augenscheinlich an Kehrherde, bei denen die geringe Menge des pro Arbeitsgang gehaltenen Erzkonzentrates durch häufiges Neubelegen und Kehren ausgeglichen wird; Kehrherde jedoch basieren darauf, daß mit dem Abwischen eben so lange gewartet wird, bis Bestandteile geringerer Dichte abgespült wurden, also auf Dichtetrennung. Wir entschieden uns, in unseren Versuchen vorläufig auf eine Dichtetrennung abzuzielen, da dies wahrscheinlich hypothetischen Erzwäschen eher entsprach - sowohl die Ausführung der Erzwäsche in Lavrion als auch Agricolas Rinnenwäschen entsprechen diesem Prinzip.


Dagegen erscheint das oben angesprochene Festhalten der Erzflitter an fast schon mikroskopischen Holzfasern eher auf einen Anlagerungseffekt ähnlich dem Anlagern von Goldpartikeln an hydrophoben Oberflächen zu entsprechen (man erinnere sich an einen klassischen Fall gewaltsamer *ahem* Industriespionage, der Geschichte des Goldenen Vlieses, also dem Einlegen hydrophober Felle in goldführende Gewässer).

Erzrutsche: Voll belegt mit Einsätzen, mit Prallbrett am oberen Ende
Experimentelle Archäologie mittelalterliche Erzaufbereitung Erzwäsche Erzrutsche voll belegt Einsätze Fußmatten

Zurück zur Linie unserer Versuche. Nach einigen Versuchen mit Holzleisten, wie sie teilweise in der Literatur beschrieben wurden, über Stoffe (leider stand uns kein Vlies zum Testen zur Verfügung) zu Flechtwerk und ähnlichem kam uns beim Sitzen im Auto während eines Regengusses eine besondere Idee: Wir verwenden Autofußmatten. Diese sind in vielerlei Ausführungen erhältlich; in unterschiedlichen Prägungen, ob Karos, Quadraten, Wellen- oder einfachen Linien, und fast jedes dieser Muster ist zudem in unterschiedlichen Tiefen erhältlich.


Es mag durchaus sein, daß eine bestimmte freiburger Verkäuferin uns beim Kauf einer gerundeten Auswahl verschiedener Fußmattenmuster ("nein, wir wollen kein Sonderangebot, wir brauchen verschiedene Muster") für leicht durchgeknallt hielt, aber dieses Risiko trugen wir tapfer im Auftrag der Forschung.


Ein weiterer Vorteil der zur Benutzung in der Erzrutsche in passende Streifen geschnittenen Autofußmatten stellte sich dann rasch heraus: Im Gegensatz zu fest in die Rutsche montierten Einsätzen sind die Fußmatten leicht segmentweise herausnehmbar. Dies erleichtert die nötigen Messungen betreff der eventuellen Anreicherung eines Erzkonzentrates sehr, da die einzelnen Abschnitte nicht mehr mühevoll abgesaugt werden müssen, sondern einfach streifenweise entnommen und abgespült werden können. Die offensichtlich fettige, also hydrophobe Oberfläche ungebrauchter Fußmatten konnte übrigens durch eine kräftige Behandlung mit Spülmittel ausreichend hydrophil gemacht werden.

Erzrutsche: Unterschiedliche Einsätze
Experimentelle Archäologie mittelalterliche Erzaufbereitung Erzwäsche Erzrutsche Einsätze verschiedener Fußmatten

Nebenstehendes Bild liefert, da noch ohne Erzaufgabe, ein gutes Bild unterschiedlicher Fußmatten-Streifen: Am oberen Ende der Rutsche sind die Streifen mit Karomuster gut zu erkennen; weiter unten sind unterschiedlich tiefe Versionen des Quadratmusters zu erkennen, wie an den verschiedenen, nach unten größeren Höhen der sich ausbildenden stehenden Wellen erkenntlich ist. Mindestens ein Streifen am unteren Bildende ist ersichtlich nicht ausreichend ent-hydrophobisiert, wie am nur zögernd überflossenen rechten Rand ersichtlich.


Anmerkung: Zur Vermeidung von Erzverlusten erfolgte der Schnitt zwischen zwei Segmenten grundsätzlich direkt nach einem Wulst. Da die Fußmatten von sich aus ausreichend dichteten, wäre das zwar nicht unbedingt notwendig gewesen, wurde aber zur besseren Standardisierung durchgehend so beibehalten.


Ausgiebige Vortests unter anderem mit Sandgemischen wiesen ausreichend auf eine mögliche Trennung eines Erzgemisches hin. Kommen wir also zum Erz und dessen Vorbereitung.

Das Erz

Verschiedene Erzarten
Experimentelle Archäologie mittelalterliche Erzaufbereitung Erzwäsche Erz Silber Silbererz Schwerspat

Als Ausgangsmaterial zur Erzaufarbeitung griffen wir auf mühselig gesammeltes Erz aus dem Erzgang des Bergwerks Suggentals zurück. Dieses Erz stammt aus einem hydrothermalen Erzgang mit Schwerspat als hauptsächlicher Gangart, der in gewissen Bereichen eine starke Verkieselung aufweist. Eine weitere Erzsorte enthält starke Anteile weitgehend zersetzten Nebengesteins.

Eine Dichtetrennung zwischen dem Haupterz Bleiglanz und der Gangart Schwerspat dürfte zwar aufgrund geringerem Dichteunterschied schlechter funktionieren wie mit der Gangart Quarz; sollte sie jedoch auch mit Schwerspat hinreichend funktionieren, wäre dies eher ein Indiz für eine mögliche breitere frühe Nutzung der Erzwäsche als dagegen.


Abgebildet von links nach rechts: Gangart reiner Schwerspat, stark verkieselte Gangart, Erz mit hohem Anteil an Nebengestein sowie aufgesammeltes Schmuddelerz. Als Unterlage dient zufälligerweise eine Autofußmatte.

Scheiderz und Pocherz

Im Eimer Roherz, reiches Scheiderz im Glas
Experimentelle Archäologie mittelalterliche Erzaufbereitung Erztrennung Erz Roherz Silbererz Bleiglanz
Verarmte Abfälle: zur Handscheidung nicht mehr lohnend
Experimentelle Archäologie mittelalterliche Erzaufbereitung Erztrennung Scheiderz Silbererz Bleiglanz

Natürlich hat die Frage nach eventueller mittelalterlicher Erzwäsche viele Fortsetzungen, die zumindest bedacht werden sollten. Eine dieser Fortsetzungen tangiert die Frage, wie die Erze mengenmäßig innerhalb eines Erzgangs verteilt sind. Es kann aber davon ausgegangen werden, daß stets ein bedeutender Erzanteil in feiner verteilter Form vorliegt, und ebenso davon, daß die Alten das sehr genau wußten, da des öfteren geklagt wurde, daß ein Gang den Abbau nicht lohne, obwohl Konzentrate einen hohen Silbergehalt aufwiesen.


Wir nehmen an, daß selbst eine wohlwollend als möglich betrachtete mittelalterliche Erzwäsche allenfalls als Zusatz gedient haben kann und mithin der Hauptertrag eines Bergwerks in von Hand geschiedenem Scheiderz lag, also mit großer Sicherheit keine reinen Pocherze abgebaut wurden. Wir glauben daher, daß eine mögliche nachgeschaltete Erzwäsche mit Scheiderzabfällen betrieben wurde, die sozusagen zu arm zur Verhüttung, doch zu reich zum Wegwerfen waren. Zudem dürfte eine versuchsweise Weiterverwendung so wesentlich näher gelegen haben, da das Material so gesehen bereits vorhanden war.


Aus diesem Grund wählten wir als Material für unsere Waschversuche kein ganz feinverteiltes Erz aus, sondern beschränkten uns auf eben jene Erze mittler Gehalte und gröberer Verteilung.


Die nebenstehenden Bilder illustrieren die verschiedenen Grade der Erzgehalte recht anschaulich. Man achte auf die reichlich vorhandenen Erzmineralien im Roherz, die direkt ersichtliche starke Anreicherung im Scheiderz und die zwar stark abgereicherten, aber noch immer deutlich sichtbaren Erzbestandteile in den Abgängen (den Abfällen) der Handscheidung darunter.

Pochen

Fröhliches Erzpochen
Experimentelle Archäologie mittelalterliche Erzaufbereitung Erztrennung Pochen Pocherz Silbererz

Wird fortgesetzt, vermutlich am 7.5. Oder so.